Nicht weit bis Ameland: Regenbogen über Holwerd
Nicht weit bis Ameland: am Ende des Regenbogens ist eine Insel

Buren, den 14. September 2017

Den Fuß auf Neuland setzen

Heute Nachmittag war es soweit: ich habe meinen Fuß auf Neuland gesetzt. Ameland ist die vierte der fünf Waddeneilanden die ich besucht habe. Bei Wind und Wetter habe ich mir am ersten Tag schon zwei Kilometer des Strandes erwandert.

Dabei stand über der Reise noch ein kleines Fragezeichen. Am vergangenen Wochenende meldete sich ein penetranter Husten, der sich glücklicherweise nicht zu einer frühherbstlichen Erkältung ausgewachsen hat. Ab und zu hüstelt es noch und meine Stimme ist recht kratzig. Das wird auch die Septemberausgabe des Polderblick-Podcasts beeinträchtigen, wie ich heute bei der ersten Aufnahme mit Bedauern feststellen musste.  Aber ich fühlte mich heute früh transportfähig, so stand meiner Begegnung mit Ameland nichts im Weg. Selbst nicht die Wetterprognose: Sturm heute und Regen an allen Tagen.

Am Ende des Regenbogens liegt die Insel

Unterwegs war es sogar erstaunlich sonnig. Aber nur bis ca. 30 Kilometer vor der Nordseeküste. Diese erblickte ich  unter einer schwarzen Wolkenwand. Die Entschädigung wurde spektakulär mitgeliefert: Holwerd, der friesische Küstenort, von dem die Amelandfähre ablegt, erschien mir unter einem kompletten Regenbogen.

Als ich am Fähranleger ankam, wehte ein kräftiger Wind von der See her. Mir wurde mulmig in Erwartung der Überfahrt, die laut Fahrplan rund 45 Minuten dauert. Es lag wohl am Niedrigwasser und der recht schmalen Fahrrinne, die wir im Zickzackkurs Richtung Insel nahmen, dass es kaum schaukelte. Allerdings erreichten wir Nes,  den Hauptort der Insel erst nach einer Fahrt von rund 75 Minuten. Besser langsam als zu heftig schaukeln, finde ich seit der schrecklichsten Bootsfahrt meines Lebens, 2006 zu einer Vogelinsel durch die irische See. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ameland-Fähren
Begegnung auf enger Fahrrinne: die Ameland-Fähren

Autofrei, ich bin dabei (Ameland leider nicht)

In Nes nahm ich den Bus nach Buren. Das Auto hatte ich in Holwerd geparkt. Es ist, anders als auf Schiermonnikoog – blog speciaal berichtete – gestattet das eigene Auto mit auf die Insel zu nehmen. Die Überfahrt kostet aber alleine für das Fahrzeug 96,40 €. Vier Tage parken 20 €. Und so fahre ich lieber Fahrrad und gehe zu Fuß, sagt der mit sechs Gepäckstücken reisende junge Mann mit der Inbrunst der Überzeugung.

Bevor ich aber in Buren ankommen sollte, drehten wir noch so manche Runde durch so manche Pfütze von Nes und ich bekam schon einen ersten Eindruck einer verregneten Insel.

Und dann konnte ich es kaum abwarten. Einchecken im Hotel De Klok, Gepäckstücke verstauen, wärmere Kleidung an und gleich eine Runde durch den Ort. Buren ist ein überschaubarer Ort. Im Ortskern gibt es drei Läden und außer dem Hotel noch eine Snackbar und ein anderes Restaurant. Snackbar ist mein Stichwort. Es gab etwas mit speciaal.

Regenarithmetik

Ich lernte auf meiner Runde durch den Ort Demut und Regenwahrscheinlichkeiten in Regenstärken umrechnen. 40 % Regenwahrscheinlichkeit bedeutet dauerhaft mittelstarker Regen, 70 % dauerhaft Starkregen und 90 % bedeutet einmal durchs Dorf und komplett nass werden. Doch, ich habe eine Regenjacke. Jugendliche in T-Shirt und kurzer Hose auf dem Fahrrad rufen mir laut „Guten Tag!“ zu. Auf Deutsch. Ich muss eine Jammergestalt sein. Denke, wie wohl 100 % Regenwahrscheinlichkeit hier geht. Wieder aufs Zimmer. Nasse Sachen aus, trockene Unterwäsche an. Ich bin jetzt seit rund zwei Stunden auf Ameland und einmal komplett durchnässt. Ich nutze die Gelegenheit, um einen erholsamen Nachmittagsschlaf zu machen. Nicht dass mein Resthusten sich doch noch verschnupft. Ab 16 Uhr sollte es nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 60% regnen.

Oliver Hübner auf Ameland
Und endlich: am Strand von Ameland

Bei so schönem Wetter sind alle am Strand

Und tatsächlich, schon um halb vier kommt die Sonne raus. Raus, das ist auch mein Stichwort. Trockene Sachen an. Es geht Richtung Strand. Dorthin gehe ich 20 Minuten an weiteren Restaurants, Hotels und Ferienwohnungen vorbei. Und dann ist sie da: die See. Es ist nur eine recht kleine Düne, die mich von den brausenden Wogen trennt. Es ist dieser erhabene Moment, für den ich die Nordsee so liebe. Die salzige Luft, das Rauschen der Wellen und dann über den letzten Dünenhügel schreiten: unendliche Weite tut sich auf. Die Nordsee liegt mir zu Füßen. Heute mit mächtigen Schaumkronen und brandenden Wellen bis weit aufs Meer hinaus. Ein Schaumkranz bildete den Übergang zwischen Wasser und Strand. Der seeseitige Wind wehte rollenden Schaumkrönchen über den glattgeregneten Strand dort, wo sich der Schaum besonders hoch aufgetürmt hatte. So wie diese rollenden Büsche in der Wüste, nur aus weißem, von der Brandung aufgeschlagenem Eischaum aus Algenrückständen. Oder aus Quallenrückständen. Davon liegen auch genügend gestrandet herum. Kleine watende, pickende Vögel holten sich ihren Teil mit ihren pinzettenhaften Schnäbeln.

Ich stand wohl einen Moment erstarrt in Verzückung und konnte mein Glück kaum fassen. Ich übertreibe. Vielleicht auch nicht.

Strand von Ameland
Am Strand von Ameland

Sonne wechselte sich mit leichtem Regen. Der Wind von See her blieb steif. Ich marschierte am Strand entlang bis zum Strandcafé von Nes, rund zwei Kilometer. Vom einsetzenden Regen wärmte ich mich dort auf, bevor ich wieder landeinwärts ging. Der Regen kam zuletzt etwa horizontal, sodass ich für optimalen Schutz meine Mütze seitlich an mein Ohr drückte.

Alles andere als instant: Nescafé

Nes erlebte ich als ein lebendiges Inselzentrum, mehr Gelegenheiten einzukehren, als ich in drei Tagen austesten kann. Lustig: das Nescafé. Hier gilt es in den nächsten Tagen noch einiges zu entdecken.

Ameland Hotel Klok Buren
Meine Heimstatt für drei Tage: Hotel Klok in Buren

Irgendwie scheint derzeit große Schulausflugswoche auf der Insel zu sein. Unterwegs überholten mich mehrfach Gruppen von 30 und mehr radelnden Jugendlichen.

Heute konnte ich einen kleinen Teil der Insel entdecken. Morgen leihe ich mir ein fiets und hoffe in den regenarmen Stunden den Westen der Insel mit dem Leuchturm und das weite Land in Richtung Osten erkunden zu können.

Der Abend klingt nun aus im Restaurant des Hotel de Klok aus, beim Schreiben meines Inseltagebuches. Ich bin angekommen auf Ameland.

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[tds_note]Dieser Artikel entstand im Rahmen des Inseltagebuchs, das ich seit 2017 jährlich auf einer Insel schreibe.
An drei Tagen entsteht ein Artikel zum Tag auf der Insel, abends geschrieben und direkt veröffentlicht.
2017 war ich auf der Watteninsel Ameland, das sind die Artikel vom zweiten und dritten Tag, sowie der zusammenfassende Artikel zum Kurzurlaub auf Ameland.
Bisherige Inseltagebücher:
2017 Ameland
2018 Schouwen-Duiveland
2019 Vlieland
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