Friesland: Der Deich und der Schnee - Winter in Hindeloopen
Der Deich und der Schnee – Winter in Hindeloopen

Der Dezember brachte mich zum Podcasten nach Friesland. Ich plante ein Wochenende mit einer Rundtour durch den südlichen und westlichen Teil der Provinz. Vier der elf friesischen Städte lagen standen auf dem Programm. Der Besuch des Ersten Friesischen Schlittschuhmuseums in Hindelopen und meine Herberge in IJlst, die ganz auf Schlittschudeko setzte, machten aus der winterlichen Stimmung ein echtes Elfstedentocht-Erlebnis, auch wenn die Kanäle in Friesland lange noch längst nicht vereist waren.

Auf dem Weg lag zudem noch ein besonderes Ziel: die ehemalige Insel Schokland in der Zuiderzee, die seit der Einpolderung des Noordoostpolders in der 1940er Jahren immer noch als Erhebung auf dem flachen Polderland auszumachen ist.

Schokland

Die Insel Schokland war in früheren Zeiten Fischerinsel. Erste Besiedlungen reichen indes 12.000 Jahre zurück, in eine Zeit, als die Zuidersee noch kein Meer sondern eine Moorlandschaft war. Das Wasser holte sich das Land zurück und verleibte sich Schokland stückchenweise ein. Bis 1859 die letzten Einwohner die Insel räumen mussten, der Küstenschutz war nicht mehr zu bewerkstelligen.

Dass es heute Schokland mit seinen drei Dörfern, vormals Warfen, geschützte Wohnhügel, die auch bei Hochwasser trocken bleiben sollten, wieder gibt, ist der Einpolderung der Zuidersee zu verdanken. Heute ist die einstige Insel UNESCO Weltkulturerbe. Die Kirche als Trutzburg und die typischen grünen und grauen Holzhäuser, wie sie auch auf Marken oder an der Zaanse Schans stehen, sind schon von weitem zu sehen. Nur, dass ich mich nicht mit dem Schiff nähere, sondern mit dem Auto über die Landstraße. Schokland empfängt mich mit einem frischen Wind und wildem Schneegestöber.

Museum und Dorfkirche Schokland
Weltkulturerbe: Museum und Dorfkirche Schokland

Museum im Weltkulturerbe

Das Museum ist klein aber fein. In der gemütlichen mit Holz ausgekleideten Kirche sehe ich einen Film über die Geschichte der Insel und die Entstehung des Polders. Interessant: in der Zeit der deutschen Besatzung, in der die Trockenlegung des Polders vollendet wurde, galt die Gegend als Rückzugsort von Widerstandsgruppen. Es wartete zwar harte Arbeit aber auch wenig politische Aufsicht auf die Polderbaukolonne.

Das Museum wird noch bis Ende März 2018 renoviert, daher war nur ein Teil der Ausstellung zugänglich.

Die Außenanlagen boten sicherlich manch Sehenswertes, unter anderem die Überreste des Leuchtturms im Süddorf und des Hafens im Norden. Verbunden werden die einstigen Dörfer durch mehrere Kilometer Wander- und Radwege. Doch ich zog nach einer kurzen Runde den wärmenden Kaffee im geheizten Museumsrestaurant vor. Ich komme sicherlich nochmal zu einer wärmeren Jahreszeit hierher zurück.

Schiff am Museum Schokland
Schiff an Insel auf dem Land: Anlegen auf Schokland

Friesland – Fryslân

Mein erstes Ziel in Friesland war die kleine Stadt IJlst, eine der elf Städte der Elfstedentocht. Nicht groß, aber schnuckelig am Kreuzungspunkt mehreren Kanäle gelegen. Aus meinem Zimmer schaute ich auf eine Gracht und die große Hebebrücke in der Ortsmitte. Auf der gegenüberliegenden Kanalseite benennt ein Giebelschild die echte Schlittschuhfabrik „Frisia“. Durch die Dekoration mit Holzschlittschuhen und Plakaten zur Elfstedentocht fühlte ich mich in meiner Herberge bereits wie im Schlittschuhmuseum. Das sollte ich aber erst am folgenden Tag besuchen.

Blick aus dem Fenster: die Gracht von IJlst
Blick aus dem Fenster: die Gracht von IJlst

Vorweihnachtlicher Abend in Sneek

Abends zog es mich in die nahe Stadt Sneek. Die vorweihnachtliche Beleuchtung erfüllte die Stadt mit einer heimeligen Atmosphäre. Die Grachten, Giebelhäuser und kleinen Brücken strahlten feierlich erleuchtet. Leichter Schneefall und ein weißer Flaum auf den Wegen und Dächern taten ihr Übriges. Es war Samstagabend, auf dem zentralen Platz waren Glühwein- und Imbissstände aufgebaut, ein mobiles Blasorchester spielte jazzig-poppig Weihnachtslieder. Ich schlenderte durch die Gassen, an den Grachten entlang bis zum Waterpoort, das Wahrzeichen von Sneek. Sehr bald kehrte ich in eine der belebten Gaststätten im Zentrum ein. Am frühen Abend war es gar nicht so einfach einen Platz zu bekommen. Ich wählte das De Walrus, dort fand ich eine vegetarische Speiseauswahl: ich wurde also gut versorgt. Bei einem früheren Besuch war ich um die Ecke im La Provence, das ich ebenfalls empfehlen kann.

Waterpoort: Lichter in Sneek
Waterpoort: Lichter in Sneek

Deichfahrt bei Schnee – Hindeloopen und Schlittschuhmuseum

Der Sonntag sollte dem IJsselmeer gehören. Wenn ich schon nicht zur Nordsee fahre, dann doch zum kleinen Bruder auf der anderen Seite des Abschlussdeichs. Der Wasserspiegel des von der offenen See abgeschlossenen Teils der früheren Zuidersee liegt bereits zwischen 20 und 40 Zentimeter unterhalb des Pegels der Nordsee.

Mein erstes Ziel am IJsselmeer: Hindeloopen, rund 30 Kilometer von IJlst. Ich wählte den abseitigen Pfad. Das Navi ignorierend bog ich auf die kleinere Straße ab, die mich letztlich über schmale Deiche führte. Es war mir nicht völlig geheuer, denn für den Nachmittag war ‚Code Orange‘ angekündigt: glatte Straßen, Schneefall, wer nicht raus muss, möge doch daheim bleiben, sagte das Radio.

Ich musste, denn ich hatte eine Verabredung in Sint Nicolaasga und bis dahin noch fünf Stunden Zeit, Friesland – oder wie es auf Friesisch heißt Fryslân – zu erkunden. Mein Plan: eine Stadt am IJsselmeer und noch eine hübsche Stadt im Landesinneren. Mein Weg: eineinhalbspurige Fahrbahn auf sich durch das flache Land schlängelndem Deich. Bei Gegenverkehr in die Bremsen und voooorsichtig aneinander vorbei oder in eine der häufigen Begegnungsbuchten einfahren und den Gegenverkehr passieren lassen. Und das bei 0° und Schneefall. Links und rechts die Böschung. Die Belohnung: gemütliches Fahren über Land vorbei an schmucken Höfen, durch wunderhübsche Dorfensemble, immer die kleinen Kanäle in Sicht und die friesischen Seen irgendwo hinter den Baumreihen. Die Landschaft grün mit weiß getupft.

Hindeloopen – Schnee an der See

In Hindeloopen wurde das Schneetreiben dichter. Ich gebe es zu, es war in dieser Kulisse ein seltsames Gefühl. Das Auto geparkt und zu Fuß ging ich in den Ort, vorbei am Jachthafen über kleine Brücken bis hin zum IJsselmeer, Schneeflocken um mich herum, den Ort langsam in weiße Watte einhüllend. Schnee gehört für mich noch nicht zur Hafenromantik.

Schneegestöber am Hafen: Hindeloopen am IJsselmeer
Schneegestöber am Hafen: Hindeloopen am IJsselmeer

Das IJsselmeer lag flach hinter dem grünen Deich. Es waren im Dezembernebel nur einige hundert Meter der Wasseroberfläche zu erahnen. Hindeloopen war die richtige Wahl: ein wunderschöner Ort, mit seinen Backsteinhäusern, Gassen, Kanälen und Brückchen von der Weihnachtsbeleuchtung mit einem feierlichen Leuchten erfüllt. An der Kirche wurde gerade der große Weihnachtsbaum aufgestellt.

Die jahreszeitliche Stimmung passte bestens zu meinem Ziel: das Schaatsenmuseum Hindeloopen.

Nationalsport Schlittschuhlaufen – Sehnsuchtsevent Elfstedentocht

Auch wenn es so nah am großen Wasser selten gefriert, ist das Schlittschuhlaufen in Friesland Nationalsport. Weltmeisterschaften in Heerenveen, Olympiasiege durch friesische Sportlerinnen und Sportler gehören zur Wintersaison, wie das Speiseeis zum Sommerurlaub. Und auch wenn das Großereignis Elfstedentocht, ein Schlittschuhmarathon über rund 200 Kilometer, der die elf friesischen Städte miteinander verbindet, in den vergangenen Jahrzehnten kaum noch stattfand, ist es in das friesische Kulturgut eingegangen, wenn nicht in das der gesamten Niederlanden. Selbst König Willem Alexander nahm 1986 als W. A. van Buren am großen Spektakel teil. Alle Sieger werden ihr Leben lang (und länger) gefeiert, unter anderem hier im Museum von Hindeloopen.

Im Schlittschuhmuseum Hindelopen
Schlittern traditionell: im Schlittschuhmuseum Hindelopen – Eerste Friese Schaatsmuseum Hindeloopen

Exkurs Elfstedentocht

Die erste fand 1909, die bisher jüngste 1997 statt. Im Winter 2016/17 war es sowas von knapp, dass die Eisdicke nicht reichte. Also gilt es weiterhin warten, auf die erste Elfstedentocht des 21. Jahrhunderts. Die Strecke von Leeuwaarden über Sneek, IJlst, Sloten, Stavoren, Hindeloopen, Workum, Bolsward, Harlingen, Freneker, Dokkum und zurück nach Leeuwarden ist zwischen 189 und 199 Kilometer lang. Die große Tour wurde bisher 15 Mal gestartet. Die Sieger brauchten dafür zwischen 13 Stunden und 50 Minuten (1909, Minne Hoekstra für 189 Kilometer) und 6 Stunden und 47 Minuten (1985, Evert van Bentheim für 196,8 Kilometer). 1986 gingen fast 15.000 Läuferinnen und Läufer an den Start. Und ganz sicher standen Millionen an den Grachten (und Pisten)!

Immaterielles Weltkulturerbe Hindeloopen

Hindeloopen ist zudem ein Ort des immateriellen Weltkulturerbes, das für eine Mehrzahl verschiedener Traditionen und Handwerke. Zum einen ist Hindeloops eine eigene Sprache. Durch die Seefahrer, die im Ort wohnten fuhr sie viele Einflüsse nordischer Sprachen. Ebenso gehören die Trachten und die Möbelmalerei zu diesem Kulturerbe. Beispiele der Möbelmalerei und ein Atelier können im Schlittschuhmuseum besichtigt werden.

Bemalt in alter Tradition der Möbelmalerei: Schlittschuhe im Schaatsmuseum Hindeloopen
Bemalt in alter Tradition der Möbelmalerei: Schlittschuhe im Schaatsmuseum Hindeloopen – Eerste Friese Schaatsmuseum Hindeloopen

Kurzbesuch Sloten, Podcasten, Rückreise im Schneegestöber

Sloten besuchte ich nur kurz. Ich plante eine kleine Stadtrunde mit Imbissbesuch. Die Runde durch die wirklich sehenswerte Stadt war allerdings sehr schnell bewältigt. Ebenso wie die Erkenntnis, dass am heutigen Sonntagnachmittag noch kein Imbiss geöffnet hat. Ich wünschte mir hier eine Stunde mehr Zeit, stattdessen fuhr ich direkt bis Sint Nikolaasga, erstand einen Snack im geöffneten Jumbo und begab mich zu meinem Podcast-Interview mit dem dort wohnenden Kinderbuchautor Dolf Verroen.

Grachtenhäuser und Windmühle in Sloten
Grachtenhäuser und Windmühle in Sloten

Rückreise im Schneegestöber

Meine Warnung für den Tag war ‚Code Orange‘: Schneefall und Glatteis für den Nachmittag und auf allen Verkehrssendern der Hinweis, doch bitte nicht zu fahren, wenn es nicht sein muss. Es musste leider sein, doch der Abend versprach mildere Temperaturen und Regen. Friesland verließ ich bei leichtem Schneefall, der zwischen Zwolle und Arnhem in Regen überging. Ich bin an diesem Abend noch sicher im heimischen Westfalen gelandet. Die erste Stunde auf der Autobahn bei 50 km/h hinter einem Schneepflug war ich dankbar, dass mir frisch die Straße geräumt wurde.

Noch mehr erfahren? Adressen und weiterführende Links in Friesland:

Schokland

Museum Schokland
Middelbuurt 3, 8319 AB Schokland

Seite des Schoklandmuseums auf Deutsch

Reisebeericht von nach-holland.de

IJlst

Stadsherberg Het Wapen van IJlst
Galamagracht 1, 8651 EB IJlst

Sneek

De Walrus
Leeuwenburg 11, 8601 CG Sneek

La Provence
Schaapmarktplein 1, 8901 CE Sneek

Hindeloopen

Schlittschuhmuseum: Erste Friese Schaatsmuseum
Nieuwstad 32, 8713 JL Hindeloopen