Vincent zegt stiekem

Psst, es wird heimlich. Nicht so laut. Ich darf es eigentlich gar nicht verraten. Vielleicht ist es auch ein wenig unanständig von mir. Deshalb ist es beinahe schon klammheimlich. Aber keinesfalls hinterhältig, denn ich bemühe mich um vollständige Aufklärung. Nur nicht laut, also psst. Ich habe ein schönes niederländisches Wort gehört: stiekem.

Das kann all das bedeuten: Heimlich, klammheimlich, heimlich still und leise. Aber eben auch: hinterhältig, hintertückisch, hinterlistig.

Wer eine List im Schilde führt, der wird das nicht groß herausposaunen. Aber nur, weil jemand oder etwas leise ist, bedeutet das nicht gleich, dass sie/er etwas zu verbergen hat. Häufig aber doch, und das alles ist: stiekem.

stiekem oder stekum

Das Wort ist mir, in etwas abgewandelter Form, in einem verballhornten niederländischen Text begegnet. Dort war es abgewandelt: „mannen huilen stekum“. Es war  die niederländische Version von Herbert Grönemeyers „Männer“ ganz köstlich umgesetzt von der kölschen Band Bläck Fööss.

Stekum ist kölsch und bedeutet ebenso wie stiekem: heimlich, still und leise. Auch hintertückisch, aber eine faule Strategie möchte ich den heulenden Männern nicht unterstellen. Nein, es gibt auch Männer, die aufrichtig Gefühle zeigen können!

Mit „stekum“ ausgestattet ist mir im Niederländischen bei der nächsten Begegnung „stiekem“ aufgefallen. Im Ruhrgebiet und im Niederrheinischen wird die Form stickum gebraucht. Da sind wir schon sehr nah an der niederländischen Schreibweise.

Ein schönes Beispiel habe ich im Niederheinischen Mitmachlexikon gefunden:

Wat ist dat Blach schon wieder so stickum …

Die vermutete Ableitung ist aus dem Jiddischen für shtike =ruhig.

Im Niederländischen kann ich stiekem op iemand verliefd, also heimlich in jemandem verliebt sein. Hier unterstelle ich ebenfalls keinerlei Heimtücke, nur etwas Schüchternheit oder realistische Einschätzung der Chancen. So kann ich es heute sehen, da die Schmerzen der Jugend schon einige Jahre zurück liegen.

Paaul de Leeuw sang ein Stiekem Liedje. Man kann auch stiekem verdwijnen, das wäre ein Polnischer Abgang.

Und der Autor W. F. Hermans weiß dass im dunklen Unbekannten oft große Schätze verborgen sind:

De goede boeken zijn meestal afkomstig van zonderlingen, liefhebbers die stiekem schrijven in het holst van de nacht en niets te maken hebben met het literaire leven. – W.F. Hermans

Nur nicht unheimlich

Leider gelingt der Umkehrschluss nicht. Unheimlich heißt auf Niederländisch eng, naar oder auch akelig. Leider nichts in der Art von onstiekem. In seiner Bedeutung ist unheimlich natürlich nicht das Gegenteil von heimlich, nur in seiner Wortbildung. Doch die Hoffnung auf eine Analogie finde ich gestattet.

Schnieke und plietsch

Warum ist stiekem nun ein schönes Wort? Das, in der Tat, fällt schwer zu sagen. Es ist ein Wort, bei dem ich innerlich grinse, wenn ich seine Bedeutung erfasse. Ich mag es. Ganz spontan, offen und ehrlich. Ohne Hintergedanke. Stiekem! Eben nicht! Es gefällt mir auch, weil es kurz und abstrakt ist. Unerwartet: Nicht vom Lateinischen abzuleiten. Es könnte auch butterweich bedeuten, wenn man es noch nicht wüsste.

Im Deutschen gibt es ähnliche Worte, die gleichermaßen kraftvoll ausdrücken, was sie meinen und doch um die Ecke gedacht scheinen. Etwa schnieke, was im Berlinerischen elegant, gut gekleidet bedeutet, durchaus respektvoll gemeint, doch aus der Perspektive des nicht Dazugehörenden gesagt: „Man, wat biste heut wieder schnieke!“

Oder das im Norddeutschen benutzte plietsch: „He, Du bist ganz schön plietsch!“ Das meint schlau im Sinne von gewitzt. Nicht bauernschlau, aber klug mit dem Wissen, es zum Vorteil zu nutzen.

So, nu janz stiekem in’t Bett jeschlichen. Unter dem Schreiben ist es spät geworden.