Salziges Wasser
Wie kommt das Salz ins Wasser? (CC0 1.0)

Einen Schluck aus dem Meer – warum ist das Meer salzig?

Herr Wolkenstein kam mit verzerrtem Gesicht vom Wasser zur Decke gerannt. Er spuckte zweimal auf den Sand, kramte ein Papiertütchen mit Zucker aus der Strandtasche, streute den Zucker auf seine Handfläche und leckte alle Krümel auf. Dann grinste er.

„Hey? Was soll das?“, fragte ich, obwohl ich genau wusste, was passiert war.

„Du sag mal, warum ist das Meer salzig?“, fragte Herr Wolkenstein, nachdem der Zucker gewirkt und er eine Weile gedankenversunken auf das Meer geschaut hatte. „Bei uns zu Hause der Badesee, der ist ja gar nicht salzig, das Meer aber doch!“

„Na ja …“, fing ich an, um etwas Zeit zum Überlegen zu gewinnen, „das ist letztlich gar nicht so kompliziert. Also zunächst ist da der Regen. Der entsteht durch Verdunsten und das verdunstete Wasser ist ganz reines Wasser. So wie destilliertes Wasser, davon dürftest du sogar nicht zu viel trinken, weil es dir das Salz, das Du brauchst, wegnimmt!“

Darf man Regen trinken?

„Was, ich darf also keinen Regen trinken?“, fragte Herr Wolkenstein mit erstaunter Miene.

„Wenn der Regen herunterregnet, ist er nicht mehr ganz so rein, wie das Wasser zum Zeitpunkt, als es verdampft ist. Im Regen ist Schmutz und Staub. Ein paar Tropfen machen da nichts, aber zu viel solltest Du davon auch nicht trinken!“

„Ui!“, sagte Herr Wolkenstein. „Jetzt erzähl aber schon von dem Salz im Meer!“

„Okay, also der Regen regnet ja erst einmal auf das Land, bevor er im Fluss ins Meer fließt …“

„Aber manchmal regnet Regen auch direkt aufs Meer!“, protestierte Herr Wolkenstein.

„… ja das stimmt, der ist uns im Moment aber erst einmal egal. Uns interessiert nur der, der aufs Land regnet.“

„Na gut, wenn du’s sagst!“, sagte Herr Wolkenstein mit strengem Blick.

„Ich weiß, dich interessiert immer viel mehr, als mich. Manchmal muss man sich aber auf die wichtigeren Dinge konzentrieren. Dieses Regenwasser jedenfalls spült aus der Erde und aus Steinen, aus den Bergen zum Beispiel, Salz heraus. Das Wasser, das aus der Quelle kommt, bringt also etwas Salz mit. Nicht viel aber genug.“

„Waaas? Genug Salz um das Meer salzig zu machen?“

„Genau!“

„Aber ein Fluss schmeckt doch überhaupt nicht salzig und das Meer voll!“, bestand Herr Wolkenstein auf seinem Einwand, „Je mehr Wasser aus dem Fluss ins Meer fließt, desto weniger salzig muss es werden. So wie wenn ich etwas verdünne.“

Es regnet über dem Meer
Regen, der aufs Wasser fällt

Süßwasser ist gar nicht süß, eher sauer

„Das dauert ja auch sehr lange! Das Flusswasser nennt man Süßwasser. Das ist übrigens keine gute Bezeichnung, denn süß ist es überhaupt nicht. Es ist meist sogar leicht sauer und wie gesagt leicht salzig. Das schmeckt man aber nicht, weil es so wenig sauer und so wenig salzig ist. Durchschnittlich enthält das Wasser im Fluss, wenn es ins Meer fließt ein Gramm Salz pro Liter. Das ist soviel wie ein halber kleiner Löffel voll in einer Flasche Wasser.“

„Das ist aber ganz schon viel! Den Löffel voll Salz möchte ich nicht essen! Auch nicht halb und klein!“

Herr Wolkenstein schaute wieder angeekelt und hatte die gleiche Grimasse, mit der er vom Wasser zurückgekommen war.

„Aber im Wasser aufgelöst ist es kaum zu schmecken. Erinnerst du dich, als wir im Urlaub mal Mineralwasser hatten, das sehr salzig war?“

„Ja, iiih!“

„Genau, das ist aus einer Bergquelle gekommen. Und so salziges Wasser fließt manchmal in einen Fluss.“

„Dann braucht es aber echt viel, bis das Meer soo salzig wird! Wie viele Löffel Salz sind denn im Meer?“

„Ha! Meinst Du im ganzen Meer? Das sind, warte mal …. ah: 50 Billiarden Tonnen. Keine Ahnung wie viele Löffel das sind.“

„Glaube ich nicht, so viel gibt es gar nicht, das hast du erfunden!“

150 Meter hoch Salz

„Nö, hab ich gerade nachgeschaut, das hat ein Wissenschaftler berechnet. Das ist so viel Salz, dass die gesamte Landfläche der Erde 150 Meter hoch mit Salz bedeckt wäre. Da würden vom Kölner Dom nur sieben Meter hohe Türmchen heraus schauen.“

„Hast du das jetzt auch schnell nachgeschaut?“, hakte Herr Wolkenstein nach und grinste dabei wissend.

„Äh, ja …und ich habe auch nachgeschaut, dass jedes Jahr drei Milliarden Tonnen Salz ins Meer gespült werden. Das macht eine Höhe von 1/20 Millimeter auf der Landfläche aus. Das ist so hoch, wie ein Haar dick ist! Die Salzschicht von 150 Metern Dicke wäre 16 Millionen mal höher! Es hat also 16 Millionen Jahre gedauert, das ganze Salz ins Meer zu spülen. “

„Das verstehe ich jetzt nicht, Millionen, Milliarden, ich meinte doch bloß eine Flasche Meerwasser!“

„Okay, da sind ungefähr 35 Gramm Salz pro Liter drin. Das sind drei große Löffel voll Salz. Aber in der Ostsee sind zum Beispiel weniger als 20 Gramm in jedem Liter.“

„Da will ich hin! Da traue ich mich zu schwimmen. Da ist es nicht so schlimm, wenn ich Wasser in den Mund kriege.“

„Klar, machen wir. Da ist es auch schön. Da gibt es auch weniger Ebbe und Flut …“

„Och nö, dann will ich doch zur Nordsee. Bei Ebbe kann ich hier  Kanäle bauen.“

Herr Wolkenstein wollte schon seine Schaufel nehmen und zum Wasser rennen, da fiel im seine Frage wieder ein: „So, jetzt aber das Salz: Warum schmeckt Meerwasser so salzig?“

Der stete Krümel mehrt das Salz: deshalb schmeckt Meerwasser salzig

„Genau, also es fließt jeden Tag, jede Minute aus den Flüssen eine große Menge Salz mit dem Flusswasser ins Meer. Und gleichzeitig verdampft Wasser, das kein Salz enthält. Stell dir vor, du hast einen Eimer voll mit Wasser und der steht in der Sonne. Ganz lange! Dann verdampft das Wasser nach und nach. Jetzt schüttest du aber immer, wenn etwas verdampft von dem ganz salzigen Mineralwasser nach. Was passiert dann?“

„Hm, dann bleibt der Eimer immer voll … und … es kommt immer Salz dazu, aber es geht kein Salz raus ..“

Herr Wolkenstein war einen Moment ganz still und rief plötzlich begeistert aus: „Ahhhh, genauso wie das Meer?“

„Genau!“, sagte ich zufrieden und hoffte, dass nun alle Fragen geklärt waren. Das Strandcafé im Pavillon lockte mit einer schönen Tasse Kaffee.

„Also wird das Meer immer salziger, von Jahr zu Jahr!“, stellte Herr Wolkenstein triumphierend fest.

„Heutzutage nicht mehr, es hat sich ein Gleichgewicht eingestellt. Aber die Erde ist ja schon viele Millionen, sogar Milliarden Jahre alt. Anfangs wurde das Meer immer salziger. Zum Teil durch das Flusswasser, so wie ich es dir erklärt habe, aber auch durch Sachen, die unter Wasser passieren. Da brechen manchmal Vulkane aus, die schleudern mit der Lava auch salzhaltiges Material ins Wasser. Das löst sich über die Jahre auf und trägt zum Salzgehalt bei. Aber wenn das Meer sehr salzig ist, können sich auch salzige Steine bilden, die dem Meerwasser das Salz wieder entziehen. Und noch etwas, hier schau mal, was hier herumliegt!“

Muschel am Strand
Eine Muschel, kalkig oder salzig?

Die Muschel klaut dem Meer das Salz

Ich hob ein Muschel aus dem Sand auf und reichte sie Herrn Wolkenstein.

„Ah, ne Muschel! Ist die etwa aus Salz?“

„Leck mal dran!“

Herr Wolkenstein leckte an der Muschel und verzog etwas sein Gesicht.

„Ah! Aber nicht viel!“

„Genau, das ist aber etwas komplizierter. Denn Muscheln stellen Ihre Schalen aus Kalk her.“

„Also kein Salz!“, wand Herr Wolkenstein zu recht ein.

„Das stimmt, aber im Kalk lagern sie auch Salz ein, und wenn die Muschelschale an Land gespült wird oder zu Kalkstein wird, dann verschwindet auch immer etwas Salz aus dem Meer. Heute ist es etwa gleich viel, das hineinkommt und verschwindet. Deshalb bleibt das Meer ungefähr gleich salzig.“

„Verstehe“, sagte Herr Wolkenstein und packte seine Strandsachen in die Strandtasche, „jetzt will ich aber ein Eis.“

„Okay, komm, das gibt es dort oben im Strandpavillon“, sagte ich und dachte leiser weiter, „dort, wo es auch meinen Kaffee gibt.“

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Diese Geschichte ist mit vier weiteren Dialogen mit Herrn Wolkenstein Teil des ersten Buches von Blog speciaal:
„Herr Wolkenstein fragt nach – Naturphänomene an der Küste“, Verlag Blogwerk, 2020

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Danksagung:
Die Figur Herr Wolkenstein entstand in Erinnerung an den wundervollen Herrn Sonntag von der grandiosen Julia Gräfner, beide waren ein besonderer Teil von Schmalz & Marmelade, der unvergessenen Lesebühne in Schwerin.