Kirchturm Winterswijk 750

Markttag mit Turmbesteigung

„Da oben will ich hin!“

An einem schönen Sommertag, Markttag in Winterswijk, stellte ich mich einer Prüfung. Ich sah Menschen auf dem Kirchturm der Jacobskerk, der großen Kirche, um die herum an jedem Samstag das Markttreiben stattfindet. Und mehr als auf die Auslagen der Stände, schaute ich in die Höhe, wo hinter einer Balustrade Menschen auf den Markt herab sahen. Und ganz sicher auch in die Ferne. Ein klarer Tag, wie weit man wohl schauen kann? Bis nach Deutschland hinüber ganz sicher, vielleicht auch bis Enschede oder ins Ruhrgebiet? Das musste ich testen!

In jungen Jahren bin ich auf viele Türme geklettert und war der Höhe und mangelnder Absicherung gegenüber unerschrocken. In Kopenhagen gibt es einen Kirchturm, um den herum sich eine immer schmaler werdende Treppe bis ganz hinauf zur Turmspitze schlengelt. Dort war ich bis zur höchsten Stelle. Ich war bei kräftigem Wind auf dem Kölner Dom. Dort bin ich kühn die offenen Abschnitte der Treppe hinaufgestiegen, die den Blick in alle Richtungen Preis gaben und keinen Schutz vor dem Wind boten.

Also sollte die Jacobskirche von Winterswijk keine große Herausforderung darstellen. Auch wenn das Geländer um den Turm herum relativ niedrig aussah. Bei Erwachsenen schulterhoch. Ich erinnerte mich allerdings an andere Kletterabenteuer. Das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, dort war die Mauer gerade hüfthoch und die Aussichtsplattform in 100 Metern Höhe. Oder auch das Marineehrenmal in Kiel. Dort führte die Treppe im Innenraum an der Wand entlang und ließ den freien Blick zu, bis ganz hinab im Turm.

Bei allzu freier Sicht in die Tiefe bekomme ich seit einigen Jahren ein beklemmendes Gefühl im Unterleib. Doch die Aussicht in die Ferne war es stets Wert, das zu ertragen.

Über diese Leiter musst Du gehen

Also nun der Kirchturm von St. Jacob: Durch eine schmale Wendeltreppe in der Backsteinmauer, in der Art von vielen Turmbesteigungen vertraut, erreichte ich den Fuß des Turmes. In Höhe der vermauerten Fenster, vermute ich. Hier sah ich mich einer hölzernen Sprossenleiter gegenüber, die einmal quer durch den Turm ging. Sie führte zu einer schmalen Tür auf der gegenüberliegenden Mauerseite. Ich erkletterte die ersten Sprossen. Ich war jetzt in Höhe des Kirschbaumes im Garten meiner Großeltern, an dem im Sommer immer eine Leiter gleicher Bauart lehnte. Dort hielt meine Hand allerdings die höchste Sprosse, hier hatte nicht einmal ein Viertel der Strecke geschafft. Alles schwankte.

„Aber da waren doch Menschen! Die kamen doch auch dort hoch! Die müssen doch …“

Ja, und Frodo und seine Gefährten kamen auch durch die Minen von Moria. Es half nichts. Ich kehrte auf einem Viertel des Weges wieder um. Meine ungestüme Zeit war vorbei, das akzeptierte ich. Und am Marktplatz mit einem Nachmittagsbierchen konnte ich die Aussicht ebenfalls genießen.

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