So duftet das 17. Jahrhundert – Ausstellung „Duft in Farbe“ im Mauritshuis

Kunst mit Duftnoten
Es gibt Dinge, über die denke ich selten nach, wenn ich ein Kunstwerk betrachte. Beispielsweise darüber, wie es in der dargestellten Szenerie duftet. Kunstbetrachtung und Geruchssinn sind zweierlei und gehen nicht oft miteinander einher. Beinahe möchte ich sagen, das ist doch auch gut so! Denn meistens bin ich froh, die alten Zeiten, die ich mir im Kunstwerk ansehe, nicht auch zu riechen. Bei van Gogh’s Sonnenblumen mag das anders sein oder bei einer Landschaft mit Wiesen und Bächen. Doch nehmen wir eine typisch niederländische Szenerie, beispielsweise an einer Amsterdamer Gracht. Sie ahnen was ich meine.

Das Museum Mauritshuis in den Haag, vor allem bekannt durch Vermeers Mädchen mit dem Perlenohrgehänge, hat sich nun dem Thema Gerüche und Kunst angenommen. Die Ausstellung „Duft in Farbe“ zeigt Kunst, die riechbar ist. Der niederländische Titel der Ausstellung ist noch schöner, denn er reimt sich sogar: „Vervlogen – geuren in kleuren“
Sinneswahrnehmungen künstlerisch darzustellen, meist in Allegorien, war in der Malerei schon vor Jahrhunderten beliebt. Die Ausstellungen zeigt mehrere Serien, die unsere Sinne auf verschiedene Weisen darstellt. Der Geruchssinn darf hier als schnüffelnder Hund auftreten, als Mann mit Pfeife und natürlich in verschiedenen Motiven mit Blumen. Humorvoll fand ich ein Werk, das einen Babypo zeigt und die Mutter, die ihn abwäscht. Eine weitere Personen sitzt mit am Tisch und kommentiert den Vorgang mit deutlicher Mimik. Ob der Maler die abgebildeten Personen wohl lange hat Modell sitzen lassen? Auch hier bin ich froh, dass das Gemälde keine Düfte verbreitete.


Der Duft des Goldenen Jahrhunderts
Doch selbst das Gemälde der Grachtenszene in Amsterdam enthält konkrete hinweise auf den Duft des Goldenen Zeitalters. Als Beispiel dient Jan van der Heydens „Blick auf den Oudezijds Voorburgwal mit der Oude Kerk in Amsterdam“ aus dem Jahr 1670. Pittoreske Giebelhäuser, Bäume, eine Brücke, die sich im Wasser spiegelt, die Oude Kerk im Hintergrund. Wunderschön! Doch der zweite Blick zeigt mehr: ein Toilettenhäuschen mit Abfluss in die Gracht, ein Straßenfeger, der Pferdeäpfel ins Wasser bugsiert, schnüffelnde Hunde. Und der Schatten dort, an der Häuserwand! Könnte das nicht eine Ratte sein? Dennoch hockt auf einem Bootsanleger eine Frau und wäscht ihre Wäsche im trüben Wasser. Also ja: es wird wohl nicht so angenehm gerochen haben dort, doch für die Menschen war es das „Normal“ des 17. Jahrhunderts.

Nur wie hat es dort wirklich geduftet? Das hat sich auch das Museum Mauritshuis gefragt und die Ausstellung um eben diese Möglichkeit des Riechens erweitert. An der Gracht riecht es wohl nach menschlichen und tierischen Hinterlassenschaften und sicher auch nach wenig frischem Fisch. Möchten Sie es testen? Dort bitte einmal das Fußpedal betätigen, dann kommt der Duft aus dem Rohr.
Der Inhalt von Aborten und Abwasserkanälen,
Schlachtabfälle, Fischdärme, verrottendes Gemüse,
Pferdemist und weggeworfenes Heu.
Im Flyer zur Ausstellung heißt es: „Der Inhalt von Aborten und Abwasserkanälen, Schlachtabfälle, Fischdärme, verrottendes Gemüse, Pferdemist und weggeworfenes Heu. Auch die giftigen Abfälle umweltverschmutzender Industrien wie der Ledergerberei und der Textilproduktion verschwanden in den Kanälen.“

Damit das Dufterlebnis aber nicht nur unangenehm in Erinnerung bleibt, wurden auch Gemälde von Blumenbouquettes, von einer silbernen Parfumflasche und von den Leinenbleichern des 17. Jahrhunderts mit Duftkompositionen ausgestattet.
Die Duftprobe
Derzeit ist das Museum für Besucher noch geschlossen. Ich durfte aus der Ferne einer virtuellen Führung durch die Ausstellung beiwohnen. Der Duft kam einige Tage vorher im Paket: der Grachtenduft in einem Zerstäuber, eine Parfumkomposition in einem anderen. Ich war etwas erleichtert, dass die Probe aus Abwasser, Tierabfällen und Gerbsäure nicht zu intensiv gemischt war. Für eine Ahnung der Amsterdamer Fäule musste ich ordentlich Pumpen. „Pumpen Sie zunächst ganz vorsichtig“, hieß es in der Anweisung für die Teilnehmer daheim.
Das Parfum, eine Mischung aus den gängigen Zutaten des 17. Jahrhunderts, hatte eine angenehm blumige Note. Wobei die Zutaten recht interessant klingen: „Styrax-Harze, Calamita und Benzoe, sowie Moschus, Zibet, Nelken, Lavendel, Zypresse, Iriswurzel, Palmwurzeln, Ambra und Gummi Traganth gelöst in Aquavit und Rosenwasser“.
Bei Ambra handelt es sich um eine wachsige Masse, die aus dem Verdauungstrakt von Walen gewonnen wird. Zibet ist ein eigentlich übelriechendes Düsensekret der Zibetkatze, das die männlichen Tiere zur Reviermarkierung verwenden. Ich staune über die Kreativität der frühen Parfummischer!

Ein virtueller Museumsbesuch
Wenn das Museum Mauritshuis wieder öffnet, ist die Ausstellung „Duft in Farbe“ bis zum 29. August 2021 zu sehen. Da Besuche in den Niederlanden derzeit nicht ratsam sind, gibt es die Ausstellung ab März 2021 auch für daheim mit einer virtuellen Führung und vier Duftfläschen. Einen Link dazu gibt es derzeit noch nicht, das Mauritshuis nimmt aber Reservierungen entgegen.
Weitere Links zum virtuellen Angebot des Museums Mauritshuis
- Das Gigapixel-Museum, ein virtueller Besuch im Mauritshuis (EN und NL)
- Gratis App für Smartphones: Second Canvas (EN und NL)
- Übersicht: Die online-Sammlung Mauritshuis at home (EN und NL)
Van harte bedankt!
Die Online-Führung durch die Ausstellung fand im Februar 2021 im Rahmen einer virtuellen Pressereise des NBTC Nederland statt. Das Paket mit den Duftproben habe ich kostenlos erhalten.
Ganz herzlichen Dank an das Team für dieses besondere Erlebnis sowie an NBTC Deutschland für die Einladung.
Auch van harte bedankt dem Museum Mauritshuis, insbesondere der Kuratorin der Ausstellung, Ariane van Suchtelen, für die fachkundige Führung durch den „Duft in Farbe“.
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