Frau Antje bringt Käse nach Moffenland – über Klischees, Fußball und Ethnophaulismus

Das Turnier, an dem alle mitmachen dürfen
Die Zeit großer Fußballturniere ist immer auch die Zeit von Klischees. Über Nachbarn, über Gegner, über mehr oder weniger sympathische, in jedem Fall andersfarbig gekleidete Fangruppen.
Auch wenn das Team Oranje in Frankreich nicht dabei ist, ist die elftal trotzdem oder gerade wegen Ihrer Abwesenheit präsent. Oh ja und ich vermisse sie, alleine um Ihnen bis zum Halbfinale die Daumen drücken zu können. Länger nicht, denn dann geht es entweder gegen unsere „Mannschaft“ oder sie wären so hochnäsig, weil sie dann deutlich länger im Wettbewerb stehen würden, als unsere „Mannschaft“. Und gerade bei dieser EM mit 24 Mannschaften! Um es gemeiner auszudrücken: bei der EM, wo alle mitmachen dürfen. Island, Albanien, Nordirland, Luxemburg … , ach Luxemburg nicht? Schade!
Vuile mof – ollen Kaaskopp!
Gerade bei Nachbarländern führt es immer zu besonders hitzigen Schlachten, man denke an die liebevolle Begegnung bei der WM 1990, als Rudi Völler sich ein besonderes Duell mit Frank Rijkaard lieferte. In Konsequenz bekamen beide die Rote Karte. Und ganz konsequent warteten beide bis 1996, erst dann versöhnten sie sich bei einem gemeinsamen Frühstück in Bademantel und mit einem pikanten Stück Gouda.
„Vuile mof!“, mag Rijkkard gedacht haben, und Völler vielleicht „Ollen Kaaskopp!“.
Und genau hier sind wir auch schon voll im Klischee. Liebevolle Bezeichnungen für Nachbarländer. Wenn ich es genau überlege, fallen mir mehr originelle Schmähwörter für Deutsche ein als andersrum. Ethnophaulismus ist der Fachbegriff. Natürlich nicht nur, wenn es um Deutsche geht, sondern allgemein eine schmähvolle Bezeichnung für eine andere ethnische Gruppe.
Piefkes, Wurstesser und Krauts
Legendär ist „Piefke“, wie die Österreicher den großen (Sprach-)Bruder im Nordwesten nennen. Das leitet sich entweder vom slawischen Wortstamm piwo für Bier ab oder von zwei Brüdern, Militärmusikern, die 1866 eine Parade von preußischen Soldaten gen Wien anführten. Preußen war hier interessanterweise im Preußisch-Deutschen-Krieg als Sieger gegen den Deutschen Bund, dem Österreich angehörte, hervorgegangen.
Die Dänen nennen die Deutschen „Wurstesser“, Kartoffelesser als Kosenamen soll es auch geben und reichlich bekannt ist natürlich Sauerkrautesser, aka The Krauts.
Und die Deutschen sind so kreativ und nennen die Österreicher Ösis, was eher niedlich klingt, die Dänen vielleicht Dänis, die Polen zumindest Polacken, was sofort einmarschierende Nazitruppen in Gedanken erscheinen lässt. Und die Niederländer? Kaaskoppen? Abgeleitet von einem häufig blondschöpfigen Erscheinungsbild? Dann hätte Rudi Völler Frank Rijkaard damit nur schwerlich treffend bezeichnet. Oder aber abgeleitet von einem beliebten Exportprodukt, dem Käse, dem Gouda, dem Edamer und dem Friesischen Nelkenkäse?
Alles Käse, außer Frau Antje
Wo wir schon beim Käse sind, bietet sich doch ein weiteres Klischee und eine Bezeichnung für die Niederländerin an: Frau Antje. Diese Frau Antje, die es tatsächlich gab, ganz in echt. Eine Studentin namens Antje, deren Nachnamen das schlaue Internet nicht preisgeben möchte und damit Platz für Spekulationen lässt, bot 1959 auf der Grünen Woche in Berlin niederländischen Käse zum Probieren an. Dabei muss sie einen derart starken Eindruck hinterlassen haben, dass ihr Fehlen wegen Krankheit das besorgte Messepublikum zur Sorge gereichte.
Nur zwei Jahre später gab es Frau Antje als Käsebotschafterin des Molkereiverbandes NZO (Nederlandse Zuivel Organisatie) und in Deutschland ist das junge Meisje mit der weißen Haube mit den spitzen Ecken schnell bekannter als Königin Juliana. In den Niederlanden nimmt man von der höchsten Repräsentantin der nationalen Käseschaft indes kaum Notiz. Ihre Stellvertreterposition für das Land, zumindest für die weibliche Hälfte, ist auch wenig beliebt. Dennoch ist das wohlgemeinte Frau Antje kaum als Ethnophaulismus zu sehen, eben da es wohlmeinend ist. Also eher ein unbeliebtes Klischee im Reich der Tulpen und Stroopwaffeln, da altbacken und wenig modern, kaum Polderpotential. Aber hey, Ihr Wohnwagenfahrer und Sauerlandbereiser von hinter IJssel und Maas! Klischee ist nun mal Klischee und das kann man sich nicht aussuchen. Wobei wir wieder bei den Moffen sind.
Muffig und sauertöpfisch, spaßbefreit
Auch hier ist die Geschichtsschreibung sich nicht einig, wie und woher die Bezeichnung stammt. Ein mof ist auch im Niederländischen ein Kleidungsstück oder Accessoire, das im Winter die Hände der eleganten Damenschaft wärmte. Also wohl nicht unsere gesuchte Quelle. Naheliegender ist die Übernahme einer alten Schimpfbezeichnung „der Holländer wider die Niedersachsen“, wie es die Gebrüder Grimm bereits formulierten. Und mof klingt muffig, preußisch, sauertöpfisch, piefkehaft. Das passt doch eher zum spaßbefreiten Deutschen. In anderen Landesteilen der Niederlande soll man angeblich auch poep oder pruusj gebrauchen. Das eine macht der Hund (hinten raus), das andere heißt preußisch. Nun denn.
Wer bei der EM noch dabei ist und Hoffnung auf das Halbfinale hat, darf sich über so etwas kaum erregen.
Schreibe einen Kommentar