Ost West Gedanken zum Tag der deutschen Einheit
Der Osten (Frankfurt/Oder) und der Westen (Zeche Haus Aden, Bergkamen), wie verschieden sind sie noch?

28 Jahre danach – wie steht es um die Einheit im Land?

Ich war im Osten, war im Westen (auch in Nord und Süd), zusammen ist es am besten!

Es ist 28 Jahre her, dass die DDR und die damalige Bundesrepublik Deutschland (West) sich vereinigt haben. Für viele ist das ein Grund zum Feiern. Doch sind vor allem in diesem Jahr auch sehr kritische Stimmen zu hören. Diese Stimmen kommen größtenteils aus dem Osten. Löhne und Gehälter sind im Osten noch weit unterhalb des Niveaus in den westlichen Bundesländern. Die Wirtschaftskraft im Osten ist kleiner. Es wandern immer noch junge Menschen aus dem Osten in den Westen ab. Es gibt Boomtowns, wie Leipzig und Jena, doch auch abgehängte Landstriche in Pommern, Brandenburg und Sachsen. Dort wächst die Unzufriedenheit.

Der Osten als Kernzelle für Nationalismus

Für mich ist es noch immer schwer nachvollziehbar, weshalb ausgerechnet Dresden der Ausgangsort für die Pegida-Bewegung und damit für ein Erstarken eines Rechtsnationalismus in Deutschland war. Einer Bewegung, die es jetzt in Form der AfD und in Person zahlreicher Nazis in den Bundestag geschafft hat. Ausgerechnet in Ostsachsen und im östlichen Vorpommern, wo am wenigsten Ausländer und Flüchtlinge wohnen, ist der Hass auf diese Menschen besonders groß. Oder einfach nur eine diffuse Angst?

Mit den Migranten und der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel ist eine Projektionsflächen gefunden, an der eine Leere und eine Unzufriedenheit sich abarbeiten können. Eine Unzufriedenheit, weil Teile des Ostens noch nicht angekommen sind, in einer Solidargemeinschaft des vereinigten Deutschland? Weil eine Ostbiografie im gemeinsamen Land nicht so viel zählt, wie eine Westbiografie? Weil mit der DDR auch die Heimat und der soziale Rahmen für alle Menschen dort verloren ging? Weil sie 1990 in einem fremden Land ankamen?

All das findet im täglichen Diskurs wenig statt. Das reicht scheinbar aus, um aus der Presse eine Lügenpresse zu machen. Da findet eine große Tageszeitung mit großen Überschriften und einfachen Formeln fruchtbaren Boden, um aus Bürgern „Wutbürger“ zu machen. Zumindest bei genügend Menschen, um in der Öffentlichkeit dieses Bild für „typisch Osten“ zu formen.

Natürlich kommt noch hinzu, dass viele extrem rechte Gruppen aus dem Westen gezielt in den Osten zu den Aufmärschen reisen, sich dort auch ansiedeln, und eben das Bild vom rechten Osten verstärken.

Doch es gibt auch einen anderen Osten!

Ost und West gemeinsam als eine zusätzliche, bereichernde Qualität

Denn dieses scheinbar gespaltene Land ist nicht das Land, wie ich es wahrnehme!

Es ist für mich gerade eine besondere Qualität, die ich an Deutschland schätze, dass sich zwei Länder mit unterschiedlichster Geschichte, aber ähnlichen Wurzeln, zu einem neuen Land vereinigt haben. Dadurch ist Deutschland vielfältiger, reicher an Geschichten, Erfahrungen, unterschiedlichen Biografien und unterschiedlichen Lebensentwürfen.

Als ich 1994, nur fünf Jahre nach dem Fall der Mauer, von Berlin für ein Studienjahr nach Amsterdam wechselte, war es genau diese zusätzliche Dimension, die ich in Amsterdam vermisste, die ich in Berlin schätzen und lieben gelernt hatte. Berlin war die Stadt, wo sich Ost und West begegneten, wo eine über Jahrzehnte getrennte Stadt wieder zusammen wuchs. Diesen Prozess zu beobachten fand ich überwältigend und ich bin noch heute dankbar dafür, dass ich diese Zeit in Berlin verbringen durfte.

Nach 15 Jahren in Berlin zog ich 2004 in den Norden, nach Schwerin, einst Bezirksstadt im Nordwesten der DDR. Heute ist Schwerin die kleinste der Landeshauptstädte mit knapp 100.000 Einwohnern. Auch Schwerin hat Ende der 1980er-Jahre mehr als ein Viertel der Einwohner verloren. Allein diese Tatsache hinterlässt ein teilweise bedrückendes Gefühl.

Ich war im Osten, ich war im Westen

Meine ‚alte‘ Heimat in Nordrhein-Westfalen liegt mir sehr am Herzen, ebenso wie meine Wahlheimat Mecklenburg. Ich habe rund die Hälfte meines Lebens in Berlin und Schwerin verbracht, die andere im Ruhrgebiet.

In Berlin fand ich die Nähe von Ost und West immer besonders reizvoll. Ich bin dankbar, dass ich in den Jahren nach 1989 dort erleben durfte, wie eine geteilte Stadt wieder zusammen wächst und wie unterschiedliche Geschichten einander bereichern.

In Schwerin habe ich privat und beruflich sehr viele aufgeschlossene, kreative, und begeisterte Menschen kennengelernt. Ost und West stand im Umgang miteinander schnell hintenan.

Es gibt auch ein anderes Sachsen

Mit meiner Schwiegerfamilie in der Nähe von Leipzig habe ich ein anderes Sachsen kennengelernt, als es derzeit in den Medien sichtbar ist. Auch dort habe ich überwiegend offene, tolerante und kritisch reflektierende Menschen getroffen.

Es ist im Zuge der Vereinigung von DDR und BRD nicht alles gut gelaufen. Unser Land hätte eine stärkere Stimme des Ostens gebraucht, auch heute noch würde Sie uns gut tun.

Im Westen ist es kaum nachvollziehbar, was es bedeutet, wenn das Land in dem man aufwächst, einfach verschwindet. Das mag mit ein Grund für die hässliche Stimme sein, die jetzt (vor allem) aus dem Osten zu hören ist. Aber auch dort ist diese Stimme in der Minderheit.

‪Ich bin froh und dankbar, dass ich all diese wundervollen Menschen aus Ost und West kenne und dass wir alle in einem Land zusammengehören.

Das Positive suchen …

‪Ich habe fast alle Regionen des Ostens bereist und dort traumhafte Landschaften entdeckt. Das Elbsandsteingebirge in Sachsen, den Spreewald, das Oderland und das Havelland in Brandenburg, den Harz, die Mecklenburgischen Seen, die Ostsee mit traumhaften Inseln, wie Hiddensee, Rügen und Poel. Auch wunderschöne Städte, wie Wismar, Stralsund, Potsdam, Weimar, Leipzig, Bautzen, Görlitz und viele mehr.

Ich möchte allen, die diese Region nicht kennen unbedingt empfehlen, sie zu entdecken und sie zu bereisen. Und dabei mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

Lassen wir uns das Positive in unserem Land nicht nehmen, von Idioten, die von Hass und Neid profitieren.
Und setzten wir das Gute ein, um dafür zu sorgen, dass noch viele Generationen sicher und in Frieden in diesem Land und auf diesem Planeten leben können.