Gold-graue Januartage auf Schiermonnikoog

Die Insel der grauen Mönche
Die Januarsonne durchdringt den zarten Wolkenschleier und taucht das Wattenmeer zwischen Lauwersoog und Schiermonnikoog in ein leicht blendendes Zwielicht. Die Wasseroberfläche ist – für die Nordsee untypisch – beinahe spiegelglatt. Die Fahne der Reederei und die Friesische, blau-weiß gestreift mit roten Seerosen, die man für Herzchen halten möchte, hängen schlaff am Mast. Ich kann es kaum erwarten, es geht hinüber nach Schiermonnikoog. Heute und weitere drei ganze Tage werde ich auf der „Insel der grauen Mönche“, das bedeutet Schier-monnik-oog übersetzt, verbringen. Die kleinste und östlichste der bewohnten Westfriesischen Inseln stand schon sehr lange sehr oben auf meiner Wunschliste.
Die Dieselmotoren brummen lauter und die MS Monnik nimmt langsam Fahrt auf. An Bord etwa 50 Gäste, ein Lieferwagen und zwei PKWs. Ich gehe gleich aufs offene Oberdeck und sehe die Insel gegenüber näher kommen. Wir fahren gut 45 Minuten lang im Zickzackkurs. Zunächst nach Nordwesten, dann nach Osten und einen Schwenk nordwärts zum Fährhafen. Wir befinden uns schließlich im Wattenmeer, das zwei Mal täglich trocken läuft abseits der Fahrrinnen. Jedenfalls, wenn man knietiefes Wasser trocken nennen möchte. Einfach so geradeaus Fahren ist da nicht drin. Irgendwann wird es mir an Deck zu zugig und mit der Kehre nimmt der Wellengang deutlich zu. Ich verkrieche mich in der Cafeteria unter Deck. Bald sind wir da!
Hauptverkehrszeit: Bustransfer vom Fährhafen
Der Fährhafen auf Schiermonnikoog liegt gute zwei Kilometer außerhalb der Ortschaft. Vier Busse verteilen die Ankommenden auf die verschiedenen Ortsteile. Auf der Insel dürfen nur wenige Autos fahren. Die Busse, Transport- und Lieferwagen und einige private PKWs der Inselbewohner sind die Ausnahme. Feriengäste lassen Ihren Wagen im Parkhaus am Fährterminal auf dem Festland für 5 € am Tag.
Es ist Samstag und daher auch außerhalb der Saison belebt. Ich besorge mir nach dem Check-In im Hotel gleich ein fiets und fahre eine erste Runde durch den Ort. Der Ortskern besteht im wesentlichen aus der Kirche und einer Straße in jede Himmelsrichtung. Ein paar Läden, einige Hotels, Kneipen, Gaststätten, eine Snackbar. Und einem Torbogen aus Walrippen, gigantisch hoch. Ein Zeugnis der niederländischen Walfänger in den 1950er Jahren.
Zum Strand mit dem fiets
Der Strand ist vom Ort aus ein Stück entfernt, zum Leuchtturm ist es mehr als einen Kilometer. Ich entscheide mich für den großen Strand am Ende des Prins-Bernhard-Weges, etwa zweieinhalb Kilometer entfernt. Eine Empfehlung, die ich auf die Insel mitgebracht habe ist De Marlijn, das Strandcafé ebendort.
Nach so viel frischer Luft eine willkommene Möglichkeit einzukehren. Ich freue mich über bekannte Gesichter, denn natürlich findet sich dort die halbe Fährgemeinschaft ein.
Der erste Tag endet beim Heineken und einem Buch am offenen Kamin im Hotel Duinzicht.
„Ach, geht es mir gut!“, denke ich und bin mir dabei sehr sicher.
Nebel taucht das Land in Grau – der schönste Ort im Königreich
Der zweite Tag ist grau, wohl ein typischer Januartag an der Nordsee. Kein Wind. Tiefe Wolken und Nebel, der am Horizont Düne, Deich und Meer optisch vereint. Es kommen immer mal einige Tropfen von oben. Handschuhe, Schal. Ich ziehe hinaus, heute zu Fuß. Eine weite Runde um das Dorf, zunächst an den Deich im Süden, an der Wattenmeerseite. Viele Wege durchziehen von hier die westliche Nase der Insel. Ich umrunde die Westerplas, einen großen Binnensee und zur Saison wohl Vogelparadies. Ein Weg durch die kahlen Büsche eröffnet einen kleinen heimeligen Zugang zum Wasser. Ein Schild besagt, dass dieser Ort zum schönsten in den Niederlanden gewählt wurde. Zu recht! Die Vogelstation ist dem Preisgeld zu verdanken.

Der Weg zieht sanfte Kurven über die Hügel, auf der einen Seite die Dünen, hinter denen man die Nordsee erahnt, der salzige Duft ist allgegenwärtig. Auf der anderen Seite der See und in der Ferne, der Leuchtturm, in zunehmend leuchtenderem Rot, je mehr ich mich ihm nähere.
… weites Land Schiermonnikoog …
Noch ein gutes Stück vom Leuchtturm entfernt wähle ich den Weg in Richtung Strand. An der Westspitze der Insel ist dieser eher weitläufig. Das Wattenmeer durchzieht den Strand, bildet Rinnsale. Bewachsene Flächen wechseln sich mit sandigen Wellen ab. An der Seeseite der letzten Düne, die ich überquere verläuft ein Weg, zwei Reifenspuren im Sand, dem ich für einige Kilometer vorbei am Leuchtturm folge. Erst nördlich des Ortes verlasse ich den Strandweg und gehe etwas landeinwärts, wandere dort durch den Wald aus niedrig stehendem Nadelholz. Windflüchter in den ersten Reihen, teils bizarre Gestalten mit einem Fell aus Moos, Schutz gegen Winterstürme. Ich komme am Marlijn an und bin für heute schon knapp 12 Kilometer marschiert. Mein Magen knurrt.

Ich nehme ein spätes Mittagsmahl und genieße den Blick auf das Meer. Wie schön, erst einmal sitzen. Von hier gehe ich später auf direktem Weg zurück ins Hotel. Nachmittagsschlaf, Buch, Kamin, Abendessen, schlafen. Seeluft macht müde und 15 Kilometer in den Beinen sorgen für den Rest.
… am Tag der ruhenden Gastronomie
Am nächsten Tag setze ich meine Wanderung vom Marlijn aus fort. Aber bis hierher komme ich mit dem Rad. Es ist Montag und das ist deutlich zu spüren, die Wochenendgäste haben die Insel verlassen. Viele Gaststätten, so auch der Strandpavillion, den ich an meinen ersten beiden Inseltagen sehr zu schätzen gelernt habe – meine kleine Piratenzuflucht, stilvoll eingerichtet, hellblaue abgegriffene Holzmöbel, große Fenster durch die die tiefstehende Januarsonne ein goldenes Licht herein scheint – ist geschlossen. Zur Zeit nur von Freitag bis Sonntag geöffnet. Puh! Ich vollende dennoch meine Wanderung, obwohl ich auf mein frühes Mittagsmahl zunächst verzichten muss. Von hier aus gehe ich noch einige Kilometer auf dem Strandweg in Richtung Osten. Etwa bis zur Mitte der Insel, das östliche Ende ist noch fern. Dort umrunde ich eine Düne, wandere auf der landzugewandten Seite zurück zu meinem Fahrrad. Es lehnt dort einsam am Abstellbalken, wo ich sommers Mühe hätte, es zwischen hunderten fietsen zu parken.
… wärmende Januarsonne
Heute strahlt die Sonne nur so aus voller Kraft. Ich ziehe auf der sonnigeren Dünensüdseite die Jacke aus. In einer geschützten Nische auf einer Bank setze ich mich und fühlte den frühen Sommer nahen. Der Blick geht weit über die Marschlandschaft der östlichen Insel, bis zum Hafen. Auch die Bake an der Willemsdüne, eine Landmarke im Inselzentrum, ist von hier zu sehen.
Naturschutzgebiet, Brutplatz für tausende Vögel zwischen April und Juni. Wundervoll.

Das Dorf erreiche ich am frühen Nachmittag. Mit reichlich Hunger. Doch Achtung, Montag und Nebensaison. Die Snackbar ist geschlossen, das Café auch, die Pizzeria ebenfalls. Ein Hotel bietet Mittagsgerichte ab 19,50 €. Ich zögere einen Moment, gehe doch weiter und finde endlich ein weiteres Hotel, das um diese Zeit eine warme Mahlzeit zu dezenteren Preisen anbietet.
Die Sonne und Temperaturen um die 13 Grad locken mich schnell wieder hinaus. Während ich in Richtung Kobbedünen radel, denke ich an Tage im Juli 2011: Nordsee, Süd-Holland, 13 Grad und Dauerregen. Nun 13 Grad und Sonnenschein im Januar.
Abschiedsrunde und Kaminstunden
Der Dienstag ist wieder etwas verhangen und deutlich frischer. Fahrradfahren ohne Handschuhe ist unangenehm, ein starker Wind zieht auf und es regnet hin und wieder. Ich mache noch eine kleine Runde zu Fuß und radle bis ins Dorf und zurück. Doch schon mittags setzte ich mich mit meinem Buch an den Kamin, in dem noch kein Feuer Gemütlichkeit verbreitet. Doch angenehm warm ist es hier trotzdem.

So macht der Kurzurlaub auch im Winter Freude. Es gibt keine Garantie für schönes Wetter, doch ich ergreife jede Chance, hinaus zu gehen. Als ich kam, waren die Wege noch leicht vereist, doch die Sonne betankt das Eiland fürs erste Mal im Jahr mit kraftvollen, wärmenden Strahlen. Mich hat sie verzaubert, die Insel der Grauen Mönche, benannt nach den Zisterziensern, die sie im 15 Jahrhundert urbar machten und deren Profil heute noch das Inselwappen ziert. 40 Quadratkilometer im westfriesischen Wattenmeer, 950 Einwohner, 1866 zum Seebad erklärt. Im Winter ist es ganz sicher sehr ruhig hier, aber auch in der Sommersaison ist weniger Rummel, als auf Texel oder in den Badeorten an der holländischen Nordseeküste.
Wer den Trubel sucht, der wird ein anderes Ziel wählen. Aber wer stille Inseltage auch während der Feriensaison und lange, lange Wege zum spazieren und radeln sucht, der wird sie lieben, die grüne Insel ganz im Norden der Niederlande.
Ich komme wieder, keine Frage!
Klicktipps:
Hotel Duinzicht (das mit dem Kamin)
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