Grenzgänge – Ein Minimalausflug in die Niederlande in Zeiten von Corona

So nah und doch so fern! Das Lieblingsnachbarland in Zeiten von Corona
Was tun, wenn die geliebte Region gerade für den Tagesausflug unerreichbar ist? Kein Marktbesuch in Venlo oder Enschede, die Bootstour auf der Maas oder das Wochenende an der Nordsee, eigentlich nicht weit entfernt, doch dieser Tage unerreichbar. Ich hatte da (nach einer Weile) eine Idee: eine Grenzwanderung.
Zwei Fragen: was ist erlaubt, was vernünftig?
Die Grenzen zwischen Deutschland und den Niederlanden waren während der Corona-Krise prinzipiell geöffnet. Anders als die deutschen Grenzen zu den anderen Nachbarländern, dort galten strikte Reiseverbote. Es gab dennoch eine offizielle Reisewarnung und seitens beider Länder die Empfehlung, auf unnötige Reisen zu verzichten. Auch wenn sich nach wenigen Wochen der Ausgangsbeschränkungen abzeichnete, dass in grenznahen Gebieten der Ausflugverkehr über die Grenze nicht komplett zum Stillstand gekommen ist.
Nun, ich bin eher ein vorsichtiger Mensch und halte mich an Ratschläge. In den ersten Wochen verließ ich kaum die Wohnung, lediglich zum Einkauf, den ich nur so häufig wie nötig und so vorsichtig wie möglich tätigte. Pläne für Reisen in die Niederlande sagte ich mehrfach ab. So blieb mein Besuch im Januar auf dem Wochenmarkt in Emmen der vorerst letzte für viele Wochen.

Lockrufe aus Richtung Westen
Doch irgendwann lockte das Nachbarland im Westen und ich überlegte eine für mich vertretbare Reisevariante: die grenzüberschreitende Wanderung. In der Nähe von Winterswijk gibt es ein Hochmoor, ein Naturschutzgebiet, das beiderseits der Grenze liegt. Die Beschreibung der Wanderroute auf dem Bretterweg, dem ‚plankenpad‘ klang sehr verlockend. Das Naturschutzgebiet ist das Burlo-Vardingholter Venn , dessen niederländischer Teil Wooldse Veen heißt. Ein Waldgebiet, in dem noch intakte Moorlandschaften zu bestaunen sind.
Von Burlo aus ging es zunächst durch die Felder
Der Ausgangspunkt der Wanderung war Burlo, eine Stadt im Kreis Borken, die auch eine sehenswerte Klosteranlage aufweisen kann. Ich konnte in der Ortsmitte parken. Ich schnürte meine Wanderschuhe und begab mich direkt auf den Vennweg, der mich schnell aus dem Ort heraus, hinein in die münsterländische Landschaft mit Weiden und Feldern brachte.
Es war ein warmer Sonntag Anfang Mai, so war der Wanderweg gut frequentiert. Spazierende Familien, Joggerinnen und Jogger, auch radelnde Gruppen von beiden Seiten der Grenzen waren unterwegs.
In der Ferne war bereits der das Naturschutzgebiet zu erkennen, neben den Waldflächen auch einzelne Stämme, wohl abgestorbene Bäume inmitten der Moorflächen.

So ganz behaglich war mir allerdings nicht. Gerade an engen Stellen war es kaum zu vermeiden, dass man sich näher kam. Hier hatte ich das Gefühl, dass diejenigen, die auf den Abstand von eineinhalbmeter achteten, eher die Minderheit war.Obwohl auch die Niederlande die Gesellschaft auf Abstand, die ‚anderhalvemetersamenleving‘ ausgerufen hatten.
Der Tanz um Abstand – die Schwierigkeiten der Eineinhalbmeter-Wanderung
Mir war es ein starkes Bedürfnis, auf den Abstand zu achten, wenn mir jemand zu nahe kam, waren es für mich jedesmal Stressmomente. So lief ich wohl manch seltsame Schleife von der rechten zur linken Straßenseite, manchmal sogar durch die Rabatten, um genügend Abstand zu Entgegenkommenden einzuhalten. Das beanspruchte einen Teil der Aufmerksamkeit und schmälerte deutlich den Erholungswert der Wanderung. Auch der Genuss der Landschaft trat bisweilen hinter die Achtsamkeit auf Entgegenkommende zurück.. Doch nahm ich all das gern in Kauf, denn bald sollte ich wieder den Fuß ins Nachbarland setzen. Nach lange Durststrecke!
Vom Vennweg in den Torfpad
Und endlich eine Schranke! War es bereits die Grenze? Nein, noch nicht ganz. Sie markierte lediglich das Ende des befahrbaren Teils des Vennwegs. Doch die Niederlande waren in Sichtweite. Ein Grenzstein begrüßte mich, Borken stand auf der einen, Winterswijk auf der anderen Seite geschrieben. Und ein Straßenschild wies in die Richtung aus der ich kam den Vennweg aus, ein blaues Schild mit weißer Schrift den Torfpad in die andere. Das war meine Richtung. Ein erhabener Moment, wenn auch nur ein kleiner Schritt für einen Wanderer.
Auch die Wegdecke änderte sich prompt, auf deutscher Seite ein Trampelpfad, die typische Muschelsand-Wegdecke auf der niederländischen Seite. Wieder ein bekanntes Anzeichen für die Niederlande, auch wenn mir bewusst war, dass die Nordsee noch fern ist.

Wo der Bagger steht ist kein Bretterweg
Der Waldweg ging noch ein kleines Stück weiter, bis ich an der Straße herauskam. Von hier sollte der Bretterweg beginnen. Doch hier wurde wurde ich deutlich darauf hingewiesen dass keine normalen Zeiten herrschten. Der ‚plankenpad‘ durch das Moor war gesperrt, der Ausflugsparkplatz am Kuipersweg ebenfalls, wegen Corona.
Dieser Weg durch das Naturschutzgebiet war eigentlich der Grund, weshalb ich das Wooldse Veenals Ausflugsziel gewählt hatte. Nun ja, vermutlich wäre der Abstandstanz auf den schmalen Stegen enorm kompliziert geworden. So schaute ich eine Weile über die Absperrung und akzeptierte mein Schicksal.
Der Teil der Stecke durch die Niederlande war somit eher eintönig. Es ging hauptsächlich an der Straße entlang, etwa einen Kilometer lang. Der sichtbare Teil der Naturschutzgebiets war zudem gerade eine Baustelle. Ackerflächen wurden naturnah zurückgebaut, sie werden das Wooldse Veen demnächst vergrößern. Bagger, hohe Lehmhügel und eine mit Stahlplatten gesicherte Straße vermittelten bei meinem Besuch jedoch das Gefühl, über einer Baustelle zu spazieren. Zum Trost fand ich einen Maikäfer auf der Straße sitzen.

Der Grensweg führt zurück – der Moorfrosch macht Konzert
Der Grensweg führte schließlich zurück in den deutschen Teil des Hochmoores.
Zurück auf deutscher Seite ging es zunächst an Weiden entlang. Auch die waren landschaftlich sehr reizvoll, einige Kühe auf weiten Flächen, es blühte überall, Landidylle pur. Doch bald schon bog der Weg links ab, zurück ins Naturschutzgebiet. Dort führte ein Weg ins Innere des Burlo-Vardingholter Venns, ich ging jedoch den Weg weiter geradeaus zu einem Aussichtsstand. Belohnt wurde ich durch ein ordentliches Quakkonzert, möglicherweise die Balz der seltenen Moorfrösche, sie sollen hier leben. Zu sehen waren sie leider nicht.
Typisch Münsterland: Eine Marienstätte begrüßte mich Feldweg, der nach Burlo zurück führte.

Fazit: Na ja, aber immerhin!
Ich war gut zwei Stunden unterwegs, mit Fotopausen also eine Wanderung von etwa 10 Kilometern.
Alles in allem blieb die Wanderung hinter meinen Erwartungen zurück. Doch. Der sehenswerte Teil des Hochmoores blieb mir verborgen. Und die Freude der Wanderung wurde geschmälert, durch die Vorsicht bei Begegnungen mit anderen Menschen. Rückblickend war der Ausflug ins Nachbarland Anfang Mai noch zu früh. In den Folgewochen hat sich die Situation und die Sorge um Corona etwas beruhigt.
Für mich war es dennoch ein Zeichen, dass ich derzeit noch keine Ausflüge in die Niederlande empfehle und auch selbst die Städte und touristischen Hotspots noch meide.
Der Trost: Immerhin war ich mal wieder draußen und habe meinen Fuß auf niederländisches Gebiet setzen dürfen. Und ich habe ein Reiseziel, das ich entdecken möchte, wenn das Reisen wieder ganz normal möglich ist.
Meine Reiseempfehlungen für die Niederlande angesichts der Corona-Lage finden Sie hier.
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