Auf Einladung des NBTC durfte ich an einem Wochenende #lekkerradeln zum 200. Geburtstags des Fahrrades teilnehmen.

Lekker radeln
Lekker radeln – Schoorlse Duinen

Der Wagen ohne Pferd und ein Jahr ohne Sommer

Es ist der Sommer des Jahres 1817. Im badischen Mannheim mag ein warmer Wind die Rheinebene heraufgeweht haben. Anders als im Vorjahr, das als Jahr ohne Sommer in die Geschichtsbücher einging. Durch den Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien sanken weltweit die Temperaturen, Ernteausfälle und Hungersnot in weiten Teilen Europas waren die Folge.

Die Chaussee entlang nach Süden fährt ein Gefährt, das bis dahin noch nie gesehen wurde: Zwei Räder hintereinander, ein Mann sitzt obenauf, vielleicht in Frack und Zylinder. Er bewegt mit schnellen Schritten seinen „Wagen ohne Pferd“ über das Pflaster. Vier Mal so schnell wie die Post zu Pferde! Es ist der Erfinder Karl von Drais auf der ersten Fahrradfahrt der Geschichte.

Mai 2017. Ein Deich in der Provinz Noord-Holland. Rechts das weite Land, es stehen Reihen Tulpen, weiße Reihen, rosa Reihen. Auch grüne Reihen, dort wo die roten Blütenblätter in den Furchen zwischen stehengebliebenen Stengeln liegen geblieben sind. Rechts grasen Schafe auf dem Deich und Kühe hinter dem Kanal in der Ebene. Flitz! Ein Gefährt saust vorbei und trotzt dem Gegenwind auf schnellem Reifen. Schaltet den Gang hoch und den Antrieb von „Eco“ auf „Tour“.

Dazwischen? 200 Jahre vom ersten Zweirad und einem modernen elektrisch unterstützten E-Bike. Sechs Mal so schnell wie eine gallopierende Kuh, halb so schnell, wie der Lieferwagen der Post.

Was Anfang des 19. Jahrhunderts in Süddeutschland geboren wurde, wurde in den Niederlanden kultiviert, das so zur großen Fahrradnation wurde.

200 Jahre Fahrrad – lekker radeln durchs Fietsland

Anlässlich des runden Jubiläums 200 Jahre Fahrrad veranstaltete das NBTC – das Niederländische Büro für Tourismus und Convention ein Wochende unter dem Motto #lekkerradeln. Wo wäre dieses Jubiläum auch schöner zu begehen, als im Paradies der fietser, den Niederlanden?

Als alter Fahrradfan, besonders des Hollandrades, freute ich mich natürlich sehr über die Einladung, mitradeln zu dürfen.

Teststrecke in Fabrikhalle

Ausgangspunkt war ein Ferienpark am Rande der Veluwe, bei Apeldoorn. Etwa 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich am Freitagabend dort ein. Doch zunächst ging es für mich in die Werkshalle der alten ENKA Fabrikshallen, einem nationalen Baumonument in Ede. Dort ist De Fietser angesiedelt mit einem Fahrradmuseum und der längsten Fahrradtestbahn der Niederlande. Hier sollte ich meinen „Gaul“ für den Wochenendtrip testen. Es war – und einem überzeugten Pedalritter wie mir, der schon so manche Tagesstrecke bei steifer Brise hinter dem Deich absolvierte, fiel das zugegebenermaßen etwas schwer – ein E-Bike. Ich teste also den Antrieb, schaltete von Eco auf Tour und weiter auf Sport und zischte mit 25 km/h, dann nämlich hört der künstliche Rückenwind abrupt auf, über die grüne indoor Betonpiste.

Teststrecke De Fietser
Teststrecke bei De Fietser

Jo, nehme ich. Doch, ich finde mich jetzt damit ab. Kann ich. Teste ich mal. Probiere ich aus. Offen für Neues! Bin ja auch keine 30 mehr. Und Holland und Wind, weiß man ja! Und mehr als 60 Kilometer, uiuiui! Also mit garantierter Leistungszuschaltung, bei Bedarf. Jo!

Kaum hatte ich im 30 Kilometer entfernten Ferienpark eingecheckt, brachten die Fietser mein schniekes E-Bike auch schon vorbei. Meinen „Wagen ohne Pferd“ mit 0,34 Pferdestärken.

Die schreibende Zunft radelt

Die Gesellschaft war gemischt. Eingeladen waren neben Bloggerinnen und Bloggern auch Journalistinnen und Journalisten, Verlosungsgewinner einer TV-Zeitung und natürlich viele vom großen Team um das NBTC. Für mich als noch recht frischer Blogger und bei meiner Premiere auf Touristik-Events ergaben sich dabei sehr spannende Anknüpfungspunkte. Wenn auch nicht gleich am Freitagabend, denn nach einem langen Tag rief mich sehr früh das weiche Bett ins Bungalow.

Am nächsten Morgen ging es früh aus den Federn. Ausschlafen ist nichts für flotte Pedaliere! Doch vor dem Tritt ins Pedal stand der Bustransfer. Die Reisegesellschaft verteilte sich auf 6 der 12 Niederländischen Provinzen, so wurden viele Teile des Landes radelnd abgedeckt.

Meine Zielregion war Noord-Holland, oder wie es unter Touristikern heißt: Holland boven Amsterdam. Zu dieser Region gehören auch einige meiner Lieblingsorte in den Niederlanden: Texel und so pittoreske Städte wie Enkhuizen, Alkmaar und die Seeorte Bergen und Schoorl.

Der Bus machte zunächst Station auf dem Houtribdijk, dass ist der rund 30 Kilometer lange Deich zwischen Lelystad und Enkhuizen. Dort startete die erste Gruppe unseres Teams. So ziemlich in der Mitte von Noord-Holland ging es endlich auch für mich los, in einem Ort namens Winkel.

Kop van Noord-Holland
Kop van Noord-Holland

Von Knotenpunkt zu Knotenpunkt gleite ich durchs flache Land

Von hier aus glitt ich halb tretend halb gefahren durchs flache Land. Durch Orte mit malerischen Backsteinhäuschen an kleinen Kanälen, Alleen durch die flachen Wiesen entlang, vorbei an grasenden Kühen und stolzen Reihen Tulpen verschiedenster Farben. Die Route war ausgerichtet an Knotenpunkten. An diesen sind im Abstand von einigen Kilometern nummerierte Übersichtstafeln für Fahrradausflügler aufgestellt, die Strecken dazwischen sind vorbildlich ausgeschildert. Eine Tour könnte also folgendermaßen lauten: 58, 57, 56, 55, 83, 82, 74, 41, dort lekker einkehren, 43, 44, 45, 47, 46 (ja, nicht immer logisch!), 22, 21, 45 (Rundkurs, wieder zurück), 44, 93 (jetzt unten rum), 97, 96, 62. Da!

8500 Knotenpunkte – von 1 bis 99

Die Knotenpunkte, obwohl es in den Niederlanden ungefähr 8.500 Stück gibt, sind bis maximal 99 nummeriert und in überschaubare Wegnetze unterteilt. Ich bewegte mich im „Kop van Noord-Holland“ und in „Noord-Kennemerland en West-Friesland“.

Vor allem an den Übergängen muss man also besonders drauf achten, nicht die 43 vom „Kop“ mit der 43 von „Kennemerland“ zu verwechseln. Aber da vertraue ich voll den Niederländischen Routenplanern, dass solche Zweifelsfälle nicht vorkommen.

Kurzum: es war komfortables Fahren und man fühlte sich immer sicher in den Händen und unter Obacht des Gottes der Routenführung. Zur Sicherheit hatte ich die Strecke auch auf mein mitgebrachtes Navigationsgerät geladen. Gute Vorplanung seitens der Organisation, aber auch seitens des Reisenden.

Tulpen
Tulpen …

Ja und das Reisen! Schön, schön, schön! Holland, wie aus dem Reiseführer. Oben lekker auf dem Deich radeln, es war der Westfriesedijk, ein Inlanddeich, der sicher durch verschiedene Einpolderungen und Überflutungszonen entstanden sein muss. Links und rechts das weite Land, grasende Kühe, Möwen hinter pflügenden Traktoren, stoische Reiher am Straßenrand, Kanal hier, Kanal dort, noch mehr Tulpen, seit Ostern schon kräftig ins Zeug geschossene Lämmchen an den Deichhängen und ganz viele fietser. Windmühlen, oh ja, Windmühlen. Dann diese quadratischen Bauernhöfe mit gemusterten Dächern aus Reet und Dachziegeln. Ein Museum mit dunkelgrün gestrichenen Holzlattenwänden mit strahlend weißen Fensterrahmen. Dann Schoorldam und Schoorl. Bekanntes Terrain. Eine Düne am Ortsrand, Kinder flitzten hinauf und kullern auf dem Hosenboden hinunter. So wie ich an dieser Stelle 1979. Unwillkürlich juckt die Kopfhaut.

Düne in Schoorl
Düne in Schoorl – 1979 und 2017

Hier sollte jetzt ein Bericht über meinen Lunch im Grandcafé Hotel Viersprong stehen, die auf mich und die Parole „lekker radeln“ warteten. Es wäre auch ganz sicher sehr köstlich gewesen. Einladend sah es aus! Doch entschied ich mich angesichts eines Zeitverzuges von fast einer Stunde für Pommes Speciaal nebenan. Ich Banause.

Hinein ins Vergnügen: die Schoorlse Duinen

Und nu tief Luft holen. Die Schoorlse Duinen. Eine Runde von rund sieben Kilometern durch die sandige Landschaft, es duftet nach Seeluft und nach Kiefernwald. Der Wind ist zwar noch kalt, doch die Sonne erhitzt den sandigen Boden. In leichten Kurven geht es Richtung Meer. An Knotenpunkt 46 erhasche ich einen Blick: die Nordsee liegt wie plattgebügelt am Strand hinter dem Café von Paal 29. Ich genieße die Luft und die Aussicht für einen Moment. Nordseeblick. Mein Soll ist damit eigentlich erfüllt. Nein, ganz Banause reiße ich mir jetzt nicht Schuhe und Socken von den Füßen und renne nicht zum Wasser, meine nackte Haut zu benetzen.

Lekker radeln Noordzee
Endlich: die Nordsee

Wind in den Haaren und den Schalter auf „Sport“

Das E-Bike an diesem westlichsten Punkt der Strecke wieder besteigend, fällt mir auf, dass gerade die „E“-Funktion sehr nützlich werden wird. Die Entgegenkommenden hatten irgendwie verzweifelt dreingeschaut. Es war die ganze Zeit Rückenwind, oder? Und nicht wenig! Zeit also von Stufe „Tour“ auf Stufe „Sport“ zu schalten, wobei es natürlich durch den stärkeren Antrieb eher weniger sportlich wird. Nun gut. Der elektrische Rückenwind gleicht den natürlichen Gegenwind aus, was sich schon sehr seltsam anfühlt, da der Wind ja da ist, ich dennoch mit beinahe 25 km/h fahren kann, ohne große Anstrengung. Ich danke hier einmal ausdrücklich der Tourplanung, die für mich ein „E“ vor’s fiets gesetzt hat. Immer noch lekkerradeln.

Von Schoorl ging es ein Stück am Noordholland-Kanal entlang. Auch den kenne ich gut, früher war hier unsere Strecke nach Den Helder auf dem Weg in den Texel-Urlaub. Ich drückte die Nase gegen die Scheibe und konnte es kaum abwarten, den Fährhafen und die Nordsee endlich zu sehen, 1979.

Lekker radeln mehr Tulpen
… noch mehr Tulpen

Ich schloss meine Jacke, als mir der Wind auf offener Strecke allzusehr entgegenblies. Auf einer Bank an einer Kirche in einem schnuckeligen Ort (Noord-Scharwoude) leerte ich mein Lunchpaket und näherte mich früher als gedacht dem Ende der Tagesstrecke. Hinter einer kleinen Brücke im Ort Verlaat erwartete mich ein keltisches Paradies in Form des Irish Cottage Pubs. Ich war allerdings schon fünf Minuten über die Zeit, wenn ich direkt weitergefahren wäre. Doch nach Rücksprache mit der Tourzentrale kehrte ich ein und wurde mit Nennen der Parole lekkerradeln sehr freundlich bewirtet. Saft und scones mit clotted cream und jam. Lecker! Eigentlich hätte es Tee dazu geben sollen, aber die Radlerkehle verlangte nach Frischerem.

Ein weiteres Telefonat mit der Zentrale klärte, dass ich direkt hier abgeholt würde, somit war ich am Etappenziel angelangt.

Wegweiser nach Irland am Irish Cottage
Aberdeen? … so weit musste ich nicht mehr

Das E-Bike zu probieren war eine interessante Erfahrung, dennoch werde ich meinem klassischen Hollandrad für die nächsten Touren wieder den Vorzug geben.

Der Ausklang im Walde

Zurück ging es durch Amsterdam, ich konnte meiner alten Studentenbude winken, wo ich während meines Studienjahres an der UvA 1994 wohnte. Pünktlich zum Abendessen waren wir zurück in der Ferienanlage. Ein ganz besonderes Abendessen zwischen Heuballen auf einer Lichtung im Wald unter einem Zeltdach. Urgemütlich. Und alle hatten zu berichten, denn Abenteuer gab es auf allen Stecken zwischen den Knotenpunkten zu erleben.

Danke für die großartige Organisation an das NBTC, die planende Agentur mediamixx, an Landal Ferienparks und das van der Valk Hotel Apeldoorn.

Und das großartige Team vor Ort und die geselligen Mitbloggerinnen und Mitblogger bei #lekkerradeln.