Niederländisches Brot – Versuch eines Lobes

Wenn es daran geht, die besonderen regionaltypischen Leckereien dieser Welt aufzuzählen, dann ist niederländisches Brot ganz sicher in keiner Liste vorne mit dabei. Soweit ich weiß sind auch Niederländerinnen und Niederländer wenig stolz auf ihre weichen, formbaren, elastischen Scheiben. Auf das was drauf kommt, Käse beispielsweise schon eher. Aber auf das Brot? Wohl kaum. Ich neige dazu dem beizupflichten und sage: zu Recht!

Brotvielfalt hier, typische Scheibe dort
Das deutsche Brot hat als Spezifikum, dass es sehr vielfältig ist. Es gibt nicht das deutsche Brot, aber es ist für Brot in Deutschland typisch, dass es derart viele verschiedene Sorten gibt. 3200 findet das Deutsche Brotregister. Niederländisches Brot wiederum ist tatsächlich typisch. Und ich rede von dem geschnittenen, verpackten Brot, dessen Scheiben in etwa die Form einer Kochmütze haben. An den Seiten zunächst gerade verlaufend, sitzt obenauf eine Rundung. Und egal ob braun, weiß, Mehrkorn, Vollkorn: es ist von gummiartiger Beschaffenheit. Wenn ich es zusammenknülle, geht es von selbst wieder auseinander. Nicht komplett, ich habe es getestet, aber doch einigermaßen. Wenn ich anschließend nachhelfe und es auseinander falte, bekomme ich wieder eine ordentliche Scheibe, der man das zeitliche Zusammengeknülltsein nicht mehr anmerkt. Das hat mein Test ergeben.

Krentenbollen und Brot vom Mond
Aufmerksame Leserinnen und Leser meines Blogs wissen, dass ich vor rund 20 Jahren ein Studienjahr in Amsterdam verbracht habe. Meine größte Sorge war damals die Versorgung mit Brot. Bei jedem Besuch in der Heimat brachte ich mir gutes, festes, nahrhaftes Vollkornbrot aus dem Bioladen mit. Für die Übergangsphasen, zwischen Ende des Importbrots und dem nächsten Heimatbesuch, in der ich also auf das niederländische Brot angewiesen war, kaufte ich mir einen Toaster. Denn getoastet, so meine Theorie, wäre auch das genießbar. Ich kaufte auch in Amsterdam zunächst mein Brot im natuurwinkel, also dem dortigen Bioladen. Doch selbst das Biobrot hatte die typische Konsistenz und die gleiche Form, wie das niederländische Brot vom Bäcker oder aus dem Supermarkt. Eine Sache, die ich nicht begriff, denn es ist doch auch super-gesundes Biobrot! Das wenigstens sollte auch hier kernig und bissfest sein. Substanz haben. Nein, es waren die gleichen babschen Scheiben: Würde es sonst hier in Holland nicht als Brot anerkannt?
Die Weichheit des Brotes ist, so vermute ich, der Grund, dass auf das Brot in den Niederlanden meist Margarine gestrichen wird. Die Butter, außer sie würde auf der Heizung aufbewahrt, würde es direkt zerreißen.

Rosinen der Kindheit
Eine Ausnahme bildeten für mich seit meiner ersten Begegnung um das Jahr 1975 die krentenbollen. Niederländische Rosinenbrötchen. Wobei krenten eher Korinthen, also getrocknete dunkle Rotweintrauben sind. Rosinen wären im Niederländischen rosijnen. Krentenbollen liebte ich als Kind im Nordseeurlaub bereits. Bei Bakker Timmer in De Koog drückte ich mir die Nase an der Glasscheibe der Auslage platt. Ich konnte nicht genug bekommen, vom süßen Duft in der Bäckerei. Ich brachte die Verkäuferin sicher das ein oder andere Mal zum Verzweifeln, da ich hartnäckig Zeitungsbrötchen bestellte: krantenbollen.
Auch die krentenbollen jedenfalls sind überaus weich und es gilt das gleiche Prinzip, wie für die Brotscheibe: Zusammendrücken, auseinandergehen. Doch in diesem Fall passt es optimal. Die süßen, zerbackenen Rosinen/Korinthen, und zwar sehr viele davon, die auf der Zunge leicht krümeln und zerschmieren, der weiche Teig und eine markante doch nicht einfach zu identifizierende Würze. Wohl Zitronat oder Zitronenschale. Die deutschen Rosinenbrötchen sind im Vergleich zu den niederländischen krentenbollen wie das Dreirad zur Gazelle. Lahm und wenig hip. Damals aß ich die niederländische Variante gern mit Leberwurst, heute mit Käse.
Doch so langsam ließ ich mich erweichen, durch weiches niederländisches Brot
Aber es geht um das Brot. Und die Geschichte wäre hier zu Ende, hätte mich das niederländische Brot nicht doch noch weich bekommen. Irgendwie.
Ich aß also, 1994 in Amsterdam, wenn mein Biobrot aufgegessen war, die NL-Einheitsscheibe. Das etwas bissfestere Brot aus dem natuurwinkel. Wie geplant toastete ich es und belegte es mit Scheibenkäse, jungem Gouda wohl. Für den bei Einheimischen beliebteren ‚belegen kaas‘ also den gelagerten Käse, oder den sehr kräftigen, alten Gouda war ich noch nicht bereit. Ich bin es ehrlich gesagt noch immer nicht. Derzeit tendiere ich häufiger zu pflanzlichen Analogkäsescheiben. Neben Käse gehörte auch hagelsag immer zu meinem Sortiment. Hagelslag ist schließlich das beste aufs Brot! Unter Kommilitoninnen und Kommilitonen an der UvA war es beliebt, hagelslag mit pindakaas zu kombinieren. Das musste ich also auch testen. Und ja: überzeugt. Begeistert! Es war passiert.

Ich kaufte also auch pindakaas, Erdnussbutter, cremig mit Stückchen und dann pindakaas und hagelslag drauf. Das war mein Kompromiss. Wenn schon niederländisches Brot, dann mit pindakaas und hagelslag. Scheibe um Scheibe.
Der nächste Besuch in Deutschland stand an, das nächste Biobrot fand im Gepäck seinen Weg nach Amsterdam.
Mit Scheibenkäse. Hm. Mal mit hagelslag und pindakaas probieren? Hm. Seltsam. Das ist jetzt gar nicht soo lecker. Muss ich dieses deutsche Biobrot wirklich aufessen? Oder soll ich mir morgen nicht wieder ein schönes niederländisches Brot in Scheiben kaufen?
Jo: mhh! Eins, zwei, drei, vier Scheiben, das geht so weg. Ich war verloren und tatsächlich dem niederländischen Brot verfallen. Eine Weile bevorzugte ich Mohnbrot, maanzaadbrood. Ich kaufte es ein einem kleinen Krämerladen in der Roeterstraat, gegenüber dem Physikinstitut der UvA. Auch wenn ich dem Händler nicht geglaubt habe, dass er sein maanbrood extra vom Mond (maan!) holt, wie er mir jedes Mal beteuerte.
Vielkörnerbrot aus der Kerkstraat
Später wohnte ich in Amsterdam Oud-West. Mein täglicher Weg zum Weesperbuurt fürte mich durch die Kerkstraat. Dort entdeckte ich eine kleinen Bäcker, ich glaube zwischen Utrechtse und Amstel. Hier kaufte ich multigranenbrood, ein Mehrkornbrot, an das ich mich gut und gern erinnere. Die Scheiben waren etwas kleiner, als das Brot in der Albert-Heijn-Plastiktüte. Und irgendwie etwas fester, aber nur etwas. Ich blieb für den Rest meiner Amsterdammer Zeit dabei. Wenn ich später in Amsterdam zu Besuch war, nahm ich mir neben den üblichen Mitbringseln, Vla, Lakritz, stroopwafels auch immer ein multigranenbrood mit nach Deutschland. Man mag es für Eulen halten, die man nach Athen trägt. Aber doch, ich hatte es lieb gewonnen, das niederländische Brot. Ich wurde vom Brotexporteur zum Brotimporteur.

Was ist denn so drin, im Brot?
Niederländisches Brot wird meist mit Hefe gebacken. Außerdem gehören Salz, Butter und Zucker in den Teig. In dunklem Brot ist auch Weizenkleie und Malz.
Mehr zum Thema Brot:
Auch Alexandra vom Blog buurtaal.de hat über niederländisches Brot geschrieben. Es ist dort etwas Stolz auf die landestypische Backspezialität herauszulesen.
Ein wundervoller Podcast zum Thema Brot hat Tim Pritlove mit Lutz Geißler bei CRE aufgenommen.
Diesen Artikel hören
Diesen Artikel habe ich bei der Bloglese im Dezember 2017 im Haus der Niederlande vorgetragen. Er ist in der Polderblick-Podcast-Extraausgabe aus Münster nachzuhören.
Den Enkel gegenüber dem holländischen Brot kann ich gut nachvollziehen. Ich frage mich aber, wie es wann dazu gekommen ist.
(Ließen sich die Rechtschreibfehler im -ndl+dt- Text noch korrigieren?)
Sorry: Ekel
Danke für den Hinweis, ich hoffe, ich habe alle Fehler gefunden!
Ich hoffe, ich habe nicht den Eindruck vermittelt, dass ich niederländisches Brot eklig finde oder jemals fand. Ich fand es nur wenig schmackhaft. Aber ich habe mich ja eines Besseren belehren lassen!