Kunst, Gärten, feine Speisen und ein Exil – Schlösser und Landsitze in den Niederlanden
Auch wenn die Niederlande nicht für mächtige Burgen und prunkvolle Schlösser berühmt sind, so gibt es doch eine große Zahl an prächtigen Landsitzen. Natürlich gibt es auch Schlösser, doch typisch sind vor allem Landgüter mit angelegten Landschaftsparks und großzügigen Gartenanlagen. Im Niederländischen werden solche Landsitze als buitenplaats bezeichnet. Genutzt wurden sie als Sommersitze außerhalb der Städte. Reiche Bürger und der Adel zogen mit einem Großteil des Hausstandes aus den stickigen Städten aufs Land in ihren buitenplaats. Dort verbrachten sie die warme Jahreszeit.
Häufig wurde zunächst der Park angelegt und einige Jahre später erst ein Wohnsitz errichtet. Daher konnte der Park von Anfang an genutzt werden. Viele buitenplaatsen werden heute als Museum oder Hotel genutzt, teilweise sind sie noch bewohnt.
Einige dieser Landsitze waren das Ziel einer zweitägigen Pressereise mit dem NBTC, dem touristischen Marketingbüro für die Niederlande. Auf der Tour konnten wir einige eindrucksvolle Beispiele für die heutige Nutzung der Landgüter besichtigten.
Die Anreise nach Enschede mit der Regionalbahn war bereits ein eigenes Abenteuer, zu dem dieser Artikel entstand. Von dort ging die Fahrt ganz gemütlich mit einem Kleinbus zu den weiteren Stationen.
Region Twente – Landgut Twickel, Museum No Hero

Museum No Hero
In Delden, das liegt in der Region Twente, rund 10 Kilometer westlich von Enschede, eröffnete am 15. April 2018 ein bemerkenswertes Museum: ‚No Hero‘. Privatsammler Geert Steinmeijer sammelte in über 20 Jahren 700 Kunstwerke mit wechselnden Schwerpunkten. Gemälde, Skulpturen, Möbel und Vasen aus Europa, Amerika und Asien. Aus der Sammlung, aus der er immer wieder Stücke in Museen ausstellte, entstand in seiner Heimatstadt Delden das Museum No Hero. Der Name wurde von der Stiftung, die Steinmeijer für seine Sammlung gründete übernommen und spielt auf die Rolle des Kunstsammlers an: Die Kunst soll im Fokus stehen, nicht der Sammler. Mit einem ehemaligen Verwaltungsgebäude des Gutshauses Twickel wurde für das Museum ein passender Ort gefunden.
Die Ausstellung ist dynamisch angelegt, derzeit sind rund 170 Werke zu sehen. Der erste Schwerpunkt steht unter dem Titel „Ich bin ein Berliner“. Gemälde der „Jungen Wilden“ der West-Berliner Kunstszene finden neben Werken namhaften DDR-Künstler ihren Platz. Begleitet von italienischen und niederländischen Klassikern sowie einem gesellschaftskritischen Blick ins gegenwärtige China.
Der Skulpturengarten zeigt einen chronologischen Spaziergang durch die Sammlungsschwerpunkte des Stifters.
Das Museum No Hero in Delden ist ein höchstspannendes Projekt, eine der beachtenswertesten Neugründungen der gegenwärtigen Kunstmuseen in den Niederlanden. Und das rund 20 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.

Museum No Hero
Hengelosestraat 2/4, 7491 BR Delden
Geöffnet: mittwochs bis sonntags, 10 – 17 Uhr
Landgut Twickel
Das Kunsterlebnis in Delden lässt sich hervorragend kombinieren mit einem Besuch des Landguts Twickel, mit seinem großzügigen Landschaftspark und dem pittoresk angelegten Garten.

Im Garten des Landguts gibt es noch eine als Orangerie genutzte Orangerie, die den Orangenbäumen als Quartier in der kalten Jahreszeit dient. Im Sommer dient sie dem Kaffeegenuss. Der Skulpturengarten des Anwesens nimmt das Wort Garten sehr wörtlich: kunstvoll aus Hecken geschnittene Figuren säumen die Wege.

Zum Landgut Twickel, heute in Verwaltung der Stichting Twickel, gehören mehrere Anwesen und mit 4000 Hektarn der einst größte private Landbesitz der Niederlande. Das Landhaus in Delden ist privat bewohnt und nur an weniger Tagen im Jahr zu besichtigen.
Landgut Twickel
Twickelerlaan 1A, 7495 VG Ambt Delden
Garten und Besucherzentrum für Besucher geöffnet: April bis Oktober, mittwochs bis sonntags, 10 – 17 Uhr
Café in der Orangerie: 21. Mai bis September, mittwochs bis sonntags, 10 – 17 Uhr
Besichtigungen des Kasteel Twickel mit Führung an besonderen Tagen.
Region Arnhem – Landhotel Groot Warnsborn
Übernachten durften wir im Landgut Groot Warnsborn, seit 1996 ein Hotel der Luxusklasse. Groot Warnsborn liegt am Stadtrand von Arnhem/Arnheim, dennoch mitten im Wald. Die Zugangsstraße führt uns durch einen Teil des Naturgebiets Veluwe.

Besonders individuell ist die Gestaltung der Zimmer: eine frei stehende Badewanne neben der Duschkabine sind ins Zimmer integriert. In einer abgetrennten Nische, durch zwei hölzerne Flügeltüren mit Herzchen-Durchguck verschließbar, das Bett. Tür zu, Waldhüttenromatik pur.
Besonders war nicht zuletzt die Küche, die wir in mehreren Gängen beim Abendessen genießen durften. Zu kurz war leider der Aufenthalt. Spazierwege durch die Veluwe lockten direkt am Hotel. Glücklich strahlten die, die von der morgentlichen Joggingrunde kamen. Doch ein Kleinbus erwartete die Reisegesellschaft bereits für den Weg zu weiteren, sehenswerten Landhäusern.
Hotel Groot Warnsboorn
Bakenbergseweg 277, 6816 VP Arnhem
Region Utrecht – Oud Amelisweerd, Parc Broekhuizen, Haus Doorn
Flower Power: Museum Oud Amelisweerd

An einem alten Rheinarm, dem Kromme Rijn, liegt das alte Rittergut Amelisweerd in Bunnik in der Provinz Utrecht. Angesichts des etwa zwei Meter breiten Flüsschens scheint der Name Rhein etwas übertrieben, doch floss hier tatsächlich einst ein großer Strom. Deichbauten im 12. Jahrhundert leiteten den Fluss in ein anderes Bett und gaben ihm seine heutige Form. Das scheint mir ein geeignetes Thema für einen vertiefenden Blogartikel.
Das Haupthaus des Rittergutes beheimatet das Museum Oud Amelisweerd. Es zeigt wechselnde Ausstellungen, aktuell noch bis 16. September 2018 mit „Flower Power“ Kunst rund um die Blume. Die gezeigten Exponate sind Leihgaben aus den Museen der Provinz Utrecht. Klassische Gemälde, höchst ästhetische, wissenschaftliche Exponate, gegenwärtige Kunst, zwischen Expressionismus und Zeitkritik sowie die Blume als erotisches Symbol, umspannen ein breites Spektrum der Ausstellung.

Verführerisch: der Duft aus dem einstigen Kutscherhaus. Hier wurde frisches Brot gebacken und zum Verkauf und Verzehr im dortigen Biocafé angeboten.
Museum Oud Amelisweerd
Koningslaan 9, 3981 HD Bunnik
Geöffnet: dienstags bis sonntags, 11 bis 17 Uhr
Kasteel Broekhuizen: gediegen speisen und logieren
Erst seit 2017 beherbergt das Kasteel Broekhuizen ein Hotel, unsere Station für das Mittagsmahl. In einer weitläufige Parkanlage liegt das Hauptgebäude, ein prächtiges kleines Schloss. Mit mehreren Nebengebäuden, die für feierliche Anlässe bereit stehen, ist das Hotel vor allem für Hochzeitsfeiern beliebt.

Auch das Restaurant setzt auf die haute cuisine: in der offen gestalteten Küche wurden Portiönchen liebevoll kredenzt, Gemüsescheibchen dekoriert, mit Saucenkringeln und -pünktchen garniert und hier und dort kommt die Gasflamme flambierend zum Einsatz. Denn innovativ und kreativ ist hier das Motto. Die Küche wurde bereits ausgezeichnet und ein Stern beim Guide Michelin ist nicht ausgeschlossen.
Ich kam in den Genuss des vegetarischen Menüs und begeisterte mich für Rote-Bete-Schaum mit salzigem Marshmallow und rauchig gegrillten Spitzkohlvierteln. Mit Blick in den Park ließen wir uns vom Sommelier die Weine erklären und es uns gut gehen. Allerdings ignorierten wir die Flaschenpreise im Weinregal neben uns, denn die waren vierstellig.

Das Hotel Parc Broekhuizen befindet sich rund 2o Kilometer östlich von Utrecht, im Ort Leersum in der Gemeinde Utrechtse Heuvelrug.
Hotel Parc Broekhuizen
Broekhuizerlaan 2, 3956 NS Leersum
Der Kaiser im Exil: Haus Doorn
Etwa vier Kilometer entfernt lag unsere letzte Station der Tour, dort wurde es kaiserlich. Denn hier im Huis Doorn, verbrachte Kaisers Wilhelm der Zweite sein Exil. Der letzte deutsche Monarch lebte hier von 1919 bis zu seinem Tod im Jahr 1941. In einem Mausoleum im Park des Anwesens befindet sich das Grab des Kaisers.

Sehr sehenswert ist das Museum Huis Doorn mit der Ausstellung der Kunstwerke, Gebrauchs- und Einrichtungsgegenstände der kaiserlichen Familie. Viele Räume sind heute noch so erhalten, wie sie zuletzt genutzt wurden.
Beeindruckend: die gedeckte Tafel im großen Speisesaal mit einem speziellen Schneidegerät, Messer und Gabel in einem Besteckteil kombiniert, denn der Kaiser konnte aufgrund einer Geburtsverletzung seinen linken Arm kaum benutzen.

Amüsant: eine frühes Beispiel für ergonomisches Sitzen befindet sich im Arbeitszimmer des Kaisers. An seinem Schreibtisch saß Wilhelm stets im Sattel, auch wenn dieser als Stuhl aufgebockt war. Wohl wegen seines schlimmen Rückens.
Erhaben: in der Sitzgruppe im Aufenthaltszimmer lag im Sessel des Kaisers ein zusätzliches Sitzkissen. So konnte er seine Sitznachbarn stets überragen.
Gedenk- und Informationsort: Die Niederlande im Ersten Weltkrieg

Doch der Hauch der Geschichte weht nicht nur im einstigen Wohngebäude auf Haus Doorn. In einem Nebengebäude im Park wurde in diesem Jahr ein Informationszentrum zum Ersten Weltkrieg eröffnet. Einhundert Jahre nach Kriegsende steht die Rolle der neutralen Niederlande im Fokus der Ausstellung.
Huis Doorn
Langbroekerweg 10, 3941 MT Doorn
Museum Huis Doorn geöffnet: dienstags bis sonntags, 13 bis 17 Uhr
Weitere Links:
Mehr über Schlösser und Landhäuser in den Niederlanden auf der Seite holland.com des NBTC
Stichting Kasteelen, Landgoederen, Buitenplaatsen
Bericht auf Heikes Reiseblog über das Museum no hero
Danke!
Der Besuch der niederländischen Schlösser und Landsitze zeigte beeindruckende Beispiele der heutigen Nutzung der einstigen Adels- und Bürgersitze. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt, es gibt derer zahlreiche mehr! Zum Beispiel oben in den Links …
Danke an den NBTC, dort besonders an Alexandra Johnen, für die Organisation und die Einladung zu dieser Tour. Ganz herzlichen Dank für die erstklassige Betreuung vor Ort, durch die genannten Museen und die Stiftungen bzw. die Betreiber der Landgüter. Danke für die viele Information, die kleinen und großen Geschichten zu historischen Orten.
Und danke für köstliche Verpflegung an unsere gastronomischen Stationen, sowie die Unterkunft an einem besonderen Ort.
Holland ist ein wirklich schönes und interessantes Land. Ich bin am Niederrhein nicht weit von der Grenze aufgewachsen und wir waren wirklich oft bei unseren Nachbarn, schon alleine weil man wirklich schnell am Strand sein konnte. Und wenn man dann mal mit offenen Augen die Straße entlang fährt sieht man wirklich viele schöne Landschaften und kleine abgelegenere Dörfer. Ich kann es nur jedem empfehlen.
Oh ja, ich sehe, wir verstehen uns! Danke für den Kommentar, Harry!