Vier-Flüsse-Tour mit dem Fahrrad – Teil 2: Weserradweg und Römer-Lippe-Radweg

Urlaub im eigenen Land, das ist der Trend im Coronasommer 2020. Für uns wurde es ein Fahrradurlaub im Sauerland und im Weserbergland. Hier beschreibe ich den zweiten Teil unserer zweiwöchigen Tour.
Was bisher geschah:
Mit meiner Frau Katrin war ich im Juli zwei Wochen auf einer Vier-Flüsse-Radtour unterwegs. Im südlichen Münsterland begann unsere Tour. Ab Fröndenberg radelten wir auf dem Ruhrtalradweg bis zur Quelle in der Nähe von Winterberg. Der Diemelradweg führte uns zur Wesermündung in Bad Karlshafen. Zurück nach Selm sollten uns jeweils Abschnitte des Weserradwegs und der Römer-Lippe-Route führen.
Erster Teil: Von Selm bis Bad Karlshafen, 300 Kilometer, zwei Flüsse, fünf Etappen
Halbzeit in Bad Karlshafen
Nach fünf Tagen auf der Vier-Flüsse-Tour war für uns gefühlte Halbzeit, auch wenn der größere Teil der Strecke uns noch bevorstand. Mit dem Ruhrttalradweg und dem Diemelradweg hatten wir zwei der vier Flussrouten absolviert. Der Weserradweg, der Römer-Lippe-Radweg und nochmals 400 Kilometer standen uns bevor. Wir hatten die Höhen des Uplandsteiges erklommen, zwei Flussquellen und eine Mündung gesehen, Sonnentage und Regentage erlebt. Vor allem hatten wir bereits viel Freiheit auf zwei Rädern genießen können. Die Landschaft mit eigener Kraft zu erkunden und mitten in der Natur zu sein, bergauf, bergab, bei Sonnenschein und bei Regen. Ein echter Fahrradurlaub also.

Fluss #3: Rattenfänger, Märchenland – durch das Weserbergland auf dem Weserradweg
In der Nähe des Dreiländerecks von Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen trafen wir auf den großen Strom unserer Reise, die Weser. Die Diemelmündung hatten wir bei schönstem Sonnenschein erreicht. Am nächsten Tag begleiteten jedoch grauen Wolken unsere ersten Kilometer auf dem Weserradweg. Ein trüber Donnerstag. Dafür ein Weg, der uns vielversprechend schien, ein separater Radweg, direkt am Fluss. Das war endlich das Flussradweggefühl, das uns weder der obere Ruhrtalweg noch der Diemelradweg über längere Strecken verschaffen konnten.
Regen war für diesen Vormittag angekündigt und drohte in Form von tiefhängenden Wolken. Auch wenn es zunächst trocken war, hatten wir uns für eine Regenetappe angemessen gekleidet, wir waren für alle Wetter gewappnet! Es stand allerdings nur eine kurze Etappe auf unserem Plan: rund 25 Kilometer bis Höxter. Und glücklicherweise nur ein kurzer, wenn auch heftiger, Regenguss.

Kuchen in Höxter und eine Wanderung zum Weltkulturerbe Corvey
Am Mittag waren wir bereits in unserem Pensionszimmer in Höxter. Den Nachmittag hatten wir für eine Stadtbesichtigung reserviert. Wir bewunderten die schmuckvollen Fachwerkhäuser in der Altstadt und lernten die Weserrenaissance kennen. Nach fast einer Woche im Sattel war ein halber Tag Pause mit gemütlichem Bummeln eine willkommene Abwechslung. Kulinarisch kamen wir in Höxter ebenfalls voll auf unsere Kosten: Im Café der Konditorei Pammel gab es eindeutig den köstlichsten Kuchen der Tour.

Der Abend stand im Zeichen der Kultur, sogar des Weltkulturerbes: Eine Wanderung von zwei Kilometern an der Weser entlang führte uns zum Kloster Corvey. Ein prunkvolles Gebäude, das im Mittelalter eines der einflussreichsten Klöster des Landes beherbergte. Besonders die Bibliothek ist beeindruckend. Im 19. Jahrhundert, als das inzwischen sekularisierte Klostergebäude in fürstlichem Besitz stand, sammelte Hoffmann von Fallersleben dort als angestellter Bibliothekar über 70.000 Bände. Die Bibliothek nimmt zahlreiche Räume ein und kann bei einem Rundgang besichtigt werden.

Märchenlandschaft Auenland
Am folgenden Tag, noch früh auf unserer Etappe, durften wir die beeindruckenden Anlage des Klosters Corvey noch einmal im Morgennebel bewundern. Diese Etappe verlief durch den landschaftlich schönsten Teil des Weserberglandes. Der Weg führte stets durch die weiten Auen, mal direkt am Fluss, mal kürzte er eine weite Flussschleife ab. Die Hügel des Weserberglandes umrahmten rechts und links die Landschaft.
Holzminden und die Münchhausenstadt Bodenwerder lagen heute auf unserer Strecke. Bei Herrn Münchhausen kehrten wir auch zur Mittagspause ein. Ein Abstecher in die Altstadt von Bodenwerder lohnt sich, auch wenn der offizielle Weserradweg auf der anderen Uferseite verläuft.
Unser Ziel war der Ort Tündern, einige Kilometer vor Hameln.

Weltbekannt aus Hameln: der Rattenfänger
Hameln hatten wir uns vor der Reise für einen Pausentag auserkoren und es nicht bereut. Dass aber der Rattenfänger dort so präsent sein würde, hatte uns etwas überrascht. Keine Straße in der Altstadt, die nicht mit einem Schild, einem Stein im Fußboden oder einer Werbetafel an die Geschichte erinnert, die sich einst hier zugetragen hat. Natürlich gingen wir ins Hamelner Stadtmuseum, um die Geschichte rund um das berühmte Märchen zu erfahren.
Doch genossen wir auch hier das Bummeln durch die Stadt. Denn Hameln besitzt ebenfalls in der Altstadt viele schmuckvolle Fachwerkgebäude, Weserrenaissance, wie wir gelernt hatten. Wir deckten uns mit Kartenmaterial für die nächsten Abschnitte der Reise ein. Es war zudem eine gute Wahl für einen Tag mit wenig Fahradkilometern, denn es war der heißeste Tag unseres Urlaubs.

Variable Planung mit Optionen
In Hameln endete unsere feste Routenplanung. Mindestens bis dort wollten wir auf dem Weserradweg fahren. Und nun irgendwie weiter zu Fluss Nummer vier, der Lippe.
Wir standen also vor der Entscheidung, welche Strecke den Weserragdweg mit der Römer-Lippe-Route verbinden sollte. Die Kriterien waren klar: schöne Wege, wenig Autoverkehr und nicht zu viele Steigungen.
Auf Radreisen finde ich es immer schön, noch die eine oder andere Option für die restliche Route offen zu halten. Meist wird erst unterwegs deutlich, welche Art Strecke und welche Landschaft mehr Reisevergnügen bereitet. Manchmal sind es die schönen Orte zur Mittagspause, manchmal mehr die Qualität der Strecken einer Fahrradtour.

Wir würden einige Hügel zwischen Weser und Detmold bezwingen, das war schon klar. Aber wir hatten noch zeitlichen Puffer, mussten also nicht den kürzesten Weg wählen. Nun war Kartenstudium gefragt. Den Komfort der Qualitätsroutenbeschilderung würden wir mit den Flussauen der Weser ebenfalls verlassen.
Letztendlich war nicht die Strecke, sondern die Orte auf dem Weg ausschlaggebend für unsere Wahl. Der Weserradweg war nämlich so wunderschön, dass wir ihn noch länger bereisen wollten. Die Städte Rinteln, eine halbe Tagesetappe weserabwärts von Hameln und Lemgo auf dem Übergangsstück schienen uns einen Besuch wert. Also fuhren wir bis Vlotho an der Weser entlang und wagten uns dann auf das zweite Übergangsstück, über Lemgo nach Detmold.

Bergauf, bergab, Fluss wo bist Du?
Zwischen Vlotho und Lemgo hatten wir allerdings die schwierigste Strecke der Tour zu meistern. Es ging mehrfach über längere Strecken bergauf und ordentlich hinab ins nächste Dorf. Nein, schieben mussten wir hier nicht. Wir waren nach neun Etappen gut im Training und das Lipperland ist nicht der Uplandsteig.
Doch obwohl unsere Strecke auf der Fahrradkarte als Radweg empfohlen wurde, fuhren wir lange ohne separaten Radweg auf einer Hauptstraße, auf der für Autos 100 km/h erlaubt war. Das war kein Vergnügen. Lastverkehr, Gegenverkehr, enges Überholen auch an Steigungen und das mit hoher Geschwindigkeit. Erwartungsvoll schauten wir auf jede kommende Seitenstraße, ob uns dort nicht ein Schild den Weg weisen würde, abseits der Hauptstraßen ins Fahrradparadies.
Nein. Bis Lemgo mussten wir tapfer sein.
Dort allerdings wurden wir belohnt. Ob der Baustil nun noch Weserrenaissance oder lippisches Fachwerk heißt war uns einerlei, ein sehr schöner Ort. Wir gönnten uns nach dem Picknick an der Kirche die obligatorische Kaffeepause auf dem Marktplatz. Dann weiter ins nahe Detmold. Wir planten das Etappenziel so, dass wir in der Nähe des Hermannsdenkmals übernachteten, aber bereits etwas stadtauswärts entlang der Römer-Lippe-Route. Fündig wurden im Hotel Haus am Wasserfall im Ortsteil Berlebeck.

Hoch über dem Teutoburger Wald: Hermann the German!
Abends wollten wir ohne Gepäck das Monument erklimmen. An der Statue von Hermann dem Cherusker beginnt offiziell die Römer-Lippe-Route, auf einer Anhöhe im Teutoburger Wald.
Wir fuhren gut 5 Kilometer bis zum Denkmal hinauf, die hatten es aber in sich! Erst auf dem Rückweg sahen wir das Schild mit 20 % Steigung. Die Tageszeit war allerdings klug gewählt: Abends war an diesem bedeutsamen Ort sehr wenig los. So waren wir einen Moment beinahe allein mit dem 50 Meter hohen Cherusker, der auch Arminius heißt, der Bezwinger der römischen Armee in der Varus-Schlacht. Der große Besucherparkplatz war bereits verwaist. Ein Andenken an diese anspruchsvolle Bergwertung bekamen wir aber noch im Souvenierladen kurz vor Ladenschluss: zwei Aufkleber für unsere Fahrräder. Stolz, sehr stolz kehrten wir zurück in unsere Bleibe.

Die Externsteine – ein Elbsandsteingebirge in klein
Ein weiteres touristisches Highlight im Lipperland sind die Externsteine. Monumentale Zinnen aus Sandstein, die wie Felsnadeln in die Höhe ragen. Sie erinnern ein wenig an das Elbsandsteingebirge in klein. Da solch eine Felsformation in dieser Region aber selten ist, sind die Externsteine ein wichtiges Monument für Nordrhein-Westfalen. Externsteine? Klar, Klassenfahrt 1985!
Da muss ich mich als gebürtiger Westfale fast schämen: Sowohl das Hermannsdenkmal als auch die Externsteine habe ich erstmals auf dieser Tour besucht. Im Jahr 2020 also, mehr als 30 Jahre nach meiner Schulzeit.

Fluss #4: Wo die Lippe entspringt
Nächstes Ziel: Lippequelle. Denn obwohl wir bereits seit 15 Kilometern auf der Römer-Lippe-Route fuhren, hatten wir die Namensgeberin noch nicht zu Gesicht bekommen. Bis zu ihrer Quelle mussten wir noch etwas kraxeln: Ein Höhenzug des Eggegebirges stand uns im Weg. Parallel zur Bundesstraße 1 meisterten wir aber diese kleine Passhöhe und durften hinabrollen, fast bis nach Bad Lippspringe.
Im Ort Schlangen hatten wir mit einer Einkehr etwas Pech: Den Imbiss am Kreisverkehr kann ich auf keine Fall empfehlen. Zwar sieht er einladend aus, doch hat es eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis wir unser Essen bekamen und wir erfuhren die unfreundlichste Bedienung unseres Urlaubs.
In Bad Lippspringe entspringt – Überraschung! – die Lippe. Doch anders als die tröpfelnde Ruhrquelle und die sparsam sprudelnde Diemelquelle, kommt hier ordentlich was aus dem Boden! Aus einer acht Meter tiefen Grube im Grund wird der Quellteich der Lippe gespeist, mit über 700 Litern Wasser pro Sekunde. Die Quelle würde also fünf bis sieben Badewannen füllen, pro Sekunde! Schon auf seinen ersten Metern ist die Lippe also ein echter kleiner Fluss.
Hier kommt ordentlich was aus dem Boden! Die Lippequelle könnte fünf bis sieben Badewannen füllen, pro Sekunde!
Vor ihr liegen 220 Kilometer durch die Soester Börde und das nördliche Ruhrgebiet bis zur Mündung in den Rhein. Die würden wir in diesem Urlaub aber nicht mehr radeln. Vor uns lagen noch zweieinhalb Tage auf der Römer-Lippe-Route bis Selm.
Das nahe Paderborn, die große ostwestfälische Domstadt, war unser Ziel für diese Etappe. Auch wenn wir das hier noch gar nicht wussten. Der Entschluss wurde erst vor Ort selbst konkret. Während einer Spätnachmittagspause suchten wir unser Etappenziel. Noch weitere 10 bis 15 Kilometer wären wir gern gefahren, jedoch lag keine Übernachtungsmöglichkeit dort günstig an der Strecke! So blieb Paderborn als Station und uns ein schöner Spaziergang zu den Paderquellen an diesem lauen Sommerabend.
Mein flaches Land – durch die Börde
Die Landschaft veränderte sich an diesem Abschnitt der Reise erneut. Die Berge hatten wir endgültig hinter uns gelassen. Durch Felder und Weiden führte uns die Römer-Lippe-Route, meist an langen geraden Wegen entlang. Die Lippe war wohl immer in der Nähe, doch sahen wir sie in diesem Abschnitt seltener. Ein ganzes Stück der Route führte an einem alten Bewässerungskanal entlang, dem Boker-Heide-Kanal. Landschaftlich war es durchaus reizvoll, doch fehlte hier wieder das Flussradweggefühl. So überraschte es uns auch nicht, dass dieser Radweg der am wenigsten von Fahrradreisenden frequentierte unser Vier-Flüsse-Tour war.
Eine schöne und ausgedehnte Mittagspause genossen wir in Lippstadt. Ab hier ging es wieder ein gutes Stück direkt am Fluss entlang. Hallo Lippe!
Nein, ich mache jetzt keinen Scherz über den Namen des Flusses, der der längste Fluss von Nordrhein-Westfalen ist. Lustig finde ich allerdings, dass es sogar die Ortschaften Ober- und Unterlippe gibt, zwei Bauernschaften in der Nähe von Selm, die zu Waltrop gehören.
Die vorletzte Etappe der Reise, und die erste mit über 70 Kilometern Strecke, brachte uns noch in den kleinen Ort Lippborg.
Ruhrgebiet in Sicht
Mit Lippborg verließen wir auf der dreizehnten und letzten Etappe unserer Vier-Flüsse-Tour die Soester Börde. Das Kraftwerk Hamm-Uentrop war ein erster Gruß des nahen Ruhrgebiets. Ab Hamm wird die Lippe von einem Kanal begleitet, dem Datteln-Hamm-Kanal, im weiteren Verlauf vom Wesel-Datteln-Kanal. Östlich von Hamm wechselten die Abschnitte unserer Route am Kanal und durch die Lippeauen.
Es gibt hier verschiedene Alternativrouten. So vermieden wir beispielsweise die Schleife durch das Stadtgebiet von Hamm, die uns am Maximilianpark mit seinem gläsernen Elefanten entlang geführt hätte. Wir wählten stattdessen die schönere Route abseits vom Straßenverkehr. In Hamm erreichten wir zudem wieder vertrautes Terrain.

Endpurt über vertraute Wege
Wenn man eine Fahrradreise an der eigenen Haustür beginnt und dort auch wieder ankommt, fährt man über bekannte Wege und durch vertraute Orte. Interessant war es jedoch für mich, diese Strecken anders zu erleben. Es macht einen Unterschied, ob ich am Sonntag am Kanal spazierenfahre oder auf einer Etappe einer zweiwöchigen Fahrradreise.
Die Marina in Bergkamen-Rünthe, der größte Sportboothafen von Westfalen, war beispielsweise häufig schon Ausflugsziel für unsere Radtouren. Hier lohnt sich auch eine Pause: Im Liquid Liberty, im ehemaligen Gebäude einer Bootsschule, empfängt einen die maritime Atmosphäre des Kanalhafens. Es sitzt sich dort fast so schön, wie an Deck eines Schiffes. (Vorher Öffnungszeiten checken!)

Über Bergkamen, Lünen und Selm-Bork erreichten wir abends das Ziel. Mit der zweiten Etappe über 70 Kilometer endete die Tour, wo sie vor 13 Tagen begann. Der Kilometerzähler der gesamten Tour stand auf über 700.
Fazit
Flussradrouten! Es ist wirklich ein großes Vergnügen, entlang einer Flussradroute zu fahren. Die Wege sind meist so ausgewählt, dass sie für den Fahrradverkehr geeignet sind, häufig abseits vom Straßenverkehr. Es geht meist durch schöne Landschaften mit wenig Steigungen.
Es ist ganz sicher ein schönes Gefühl, eine Flussradtour von Anfang bis zum Ende zu fahren, doch auch Kombinationen, wie unsere Vier-Flüsse-Route sind möglich. Auch, wenn die meisten Flussrouten gut ausgeschildert sind, lohnt sich der Kauf des Begleitbuches. Das gibt es für alle größeren Flussrouten in Deutschland und bereits für viele kleinere. Denn die Lektüre erklärt die meisten Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke und weist auf viel Sehenswertes hin.
Jede Flusstour hat ihren eigenen Charakter. Für jeden Geschmack findet sich also eine passende Strecke.
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