Amersfoort Mondrian Fahnen

Amersfoort lernte ich durch einen Zufall kennen

Durch einen beabsichtigten Zufall zwar, ein Zufall war es dennoch. Anfang des Jahres machte ich meinen ersten Ausflug 2017 in die Niederlande, ich besuchte die südholländische Küste in Scheveningen und den Regierungssitz Den Haag. Am Sonntag Nachmittag machte ich mich auf dem Heimweg Richtung Ruhrgebiet und suchte für den Abend eine Gelegenheit einzukehren. Kein Autobahnrestaurant, sondern etwas Hübsches. So nutzte ich die Gelegenheit, eine neue Stadt kennenzulernen: Amersfoort.

„Hier müsste man mal aussteigen und sich die Stadt anschauen“

Das Ziel hatte ich länger schon im Hinterkopf: vor vielen Jahren, ich glaube 1995, stand ich für einige Minuten im Bahnhof von Amersfoort und blickte aus meinem Waggonfenster auf das imposante Stadttor Koppelpoort. „Hier müsste man mal aussteigen und sich die Stadt anschauen“, spukt es mir seit dem im Kopf herum. Hat ja nur gut 20 Jahre gedauert, bis ich es umsetzte. Und nun für ein ganzes Wochenende. Zufall also, aber mit langem Anlauf.

Amersfoort - Koppelpoort mit Rietveld-Stuhl
Amersfoort – Koppelpoort mit Rietveld-Stuhl

Verwunschene Grachten, Glaskunst an Laternen

Im Januar entdeckte ich bereits die verwunschenen, gewundenen Grachten, mit den kleinen Brücken in die Hintergärten der Häuser. Besonders die Langegracht ist mir aufgefallen, wesentlich romantischer, als die Grachten in Amsterdam, Alkmaar oder Edam, wo es ebenfalls romantische Grachten gibt. Ich entdeckte den Groenmarkt mit Kneipen unter bunten Markisen, Gaslaternen mit Glaskunst modernisiert, den großen Platz am einsamen Turm der Lieve-Vrouwen-Kirche und das große Angebot an einladender Gastronomie dort. Ich entschied mich atypisch: ein französisches Pfannkuchenhaus, das Juffrouw Jacoba in der Krankeledenstraat. Der bretonische Galette, ein dunkler Buchweizenfannkuchen, entführte mich für eine halbe Stunde in meinen Sommerurlaub des vergangenen Jahres.

Amersfoort - Laterne mit Kunst
Amersfoort – Laterne mit Kunst

Knapp zwei Monate später plante ich einen längeren Besuch in der rund 150.000 Einwohner zählenden Stadt im Zentrum der Niederlande. Wie im Januar begegnete ich der Stadt zunächst planlos, unvoreingenommen.

Ich schlenderte die Wege, die mir von meinem ersten Besuch in Erinnerung waren, bog hier und dort ab, wenn mich eine schöne Straße oder eine interessante Perspektive lockte. So entdeckte ich auch das Koppelpoort wieder, das ich von der anderen Seite minutenlang betrachtet hatte, vor 22 Jahren.

Amersfoort - Lieve Vrouwen Kirchturm
Amersfoort – Lieve Vrouwe-Kirchturm

Ein Kirchturm ohne Schiff

Vom Kichturm Onze Lieve Vrouwe, der seit einer Explosion im Jahr 1787 und dem Abriss des Kirchenschiffs 1806 recht einsam auf dem Platz steht, kommen in regelmäßigen Abständen Glockenspiele. Vom Wochenmarkt auf dem Hof bekomme ich noch den Abbau mit. Zu spät, um mir noch einen Stand zu suchen, der frische stroopwafels backt, das steht nämlich noch auf meiner to-do-in-NL-Liste.

Auch habe ich einen besonderen Plan für das Wochenende: für meinen ersten Polderblick-Podcast wollte ich O-Töne sammeln. Dafür ist es mir am Samstag zu regnerisch und auch zu voll, ich verschiebe es noch mal um einen Tag.

Es regnet hin und wieder einige Tropfen, dann hört es wieder auf, der März weht einen frischen Wind durch die Gassen. Es ist früher Samstagabend, Zeit zum Einkehren und Aufwärmen.

Amersfoort - Pfütze auf Pflasterstein
Amersfoort – Pfütze auf Fischgrätenpflaster

Die Brouwerei De Drie Ringen, eine Empehlung des VVV-Büros am Lieve Vrouwenkerkhof, ist jetzt allerdings viel zu voll. Die Luft steht, ein zusätzlicher Gast müsste es ebenfalls. Stattdessen wähle ich Long John’s, ein typischer Irish Pub am Kirchplatz, dort schaut ein internationales Publikum Rugby-WM, ich finde einen Platz am Tresen und bekomme ein lokales Bier. Anschließend im Juffrouw Jacoba habe ich weniger Glück, es hat abends geschlossen. Ein Fingerzeig für mich, etwas Neues zu entdecken. Es wird ein großer Salat im Café des Filmtheaters, ebenfalls am Kirchplatz, dort lasse ich den Abend gemütlich ausklingen.

Kultursonntag: Mondrian-Haus

Der Sonntag steht im Zeichen des bekanntesten Sohnes der Stadt, Piet Mondrian. Sein Geburtshaus in der Kortegracht, damals (1872) das Schulhaus, in dem sein Vater unterrichtete, ist heute dem Leben und Werk und des Künstlers gewidmet. Mondrian begann Landschaften im Stil der Impressionisten zu malen, suchte jedoch lange nach seiner eigenen Ausdrucksweise. Sein Werk wurde zunehmend abstrakt, bis es sich ganz in Formen, Farben und Verhältnissen auflöste. Dieser Prozess ist im Museum anhand seiner Werke, der Stationen seines Lebens und in erklärenden Videoprojektionen anschaulich dargestellt. Besonders schön: Eine große Wand, auf der man mit Legosteinen seinen eigenen „Mondrian“ bauen kann. Nicht nur für Kinder.

Amersfoort - Museumspädagogik im Mondrian-Haus - Lego-Mondrian
Amersfoort – Museumspädagogik: bau Dir Deinen Mondrian

Der spätere Sonntag brachte noch einige Regenschauer, doch fand ich eine trockene Phase und Passanten, die sich bereitwillig für meinen Podcast befragen ließen. Ich spazierte am inneren Grachtenring und an der Parkanlage des äußeren Grachtenrings entlang, fand De Drie Ringen am frühen Sonntagnachmittag leerer und dort ein leckeres Amersfoorts Blond, fand die bisher köstlichste vegetarische Krokette (Spinat-Ziegenkäse-Füllung) im Vlaams friethuis ‚van Gogh‘ und machte mich am frühen Abend wieder auf den Heimweg Richtung Ruhrgebiet.

Es war nicht mein letzter Besuch, dieser wundervollen Stadt. Ein Besuch in der wärmeren Jahreszeit lohnt sich ganz sicher und ich weiß jetzt, wann ich meinen Galette bekomme.

Amersfoort - Stadtpanorama im Frühstücksraum
Amersfoort – Stadtpanorama im Frühstücksraum (Hotel de Tabaksplant)

Fazit:

Ein Ausflug nach Amersfoort ist immer lohnend, sei es für die Kultur oder typisch niederländische Atmosphere.  Neben dem Mondrian-Haus gibt es weitere sehenswerte Museen. Die Grachten und pittoreske Plätze mit windschiefen Backsteinhäusern laden zum Schlendern und Verweilen.

Tipps:

Mondrian-Haus – Geburtshaus von Piet Mondrian und Museum über Werk und Leben des Künstlers

Mondrian-Ausstellung in der Kunsthalle Kade (Mai – September 2017)

Stadsbrouwerij  De drie Ringen – Braustube mit großem Sortiment an selbst gebrautem Bier, vom Stadtbier im frischem Kölsch-Stil über den Feuervogel zum Dubbel oder Tripel (6,8%) .

Juffrouw Jacoba – einfach aber gemütlich-charmant: französisches Pfannkuchenhaus

Café im Lieve Vrouwe Film-Theater

Vlaams friethuis ‚van Gogh‘

Rietveld-Stuhl am Stadttor Koppelpoort

Stadtinformation VVV am Lieve Vrouwekerkhof