Das Gute so nah, Niederlande
Das Gute liegt so nah!

Zum Mittagesen in Strandpavillon

Ich habe es gerade mal überprüft. Es ist jetzt, da ich diesen Satz schreibe 10:34 Uhr. Ich könnte es heute noch zu einem späten Mittagessen an die Strandpromenade von Scheveningen schaffen. Gegen 13:25 Uhr wäre ich laut meinem Routenplaner dort, das ist vom westlichen Ruhrgebiet aus mit 276 Kilometern die kürzeste Strecke mit dem Auto zur Nordsee.  Okay, zum Deich von Krummhörn sind es drei Kilometer weniger, korrekt also: zu einem schönen Nordseestrand.

Vielleicht würde ich anstelle von Scheveningen zum Mittagessen sogar Wassenaar wählen und dabei eine zehn Minuten längere Fahrzeit in Kauf nehmen. Dort könnte ich nämlich direkt am Strandpavillon parken und es ist nicht so trubelig wie in Scheveningen. Je nach Saison. Wenn ich es in drei Minuten zum Bahnhof schaffen würde, könnte ich sogar mit dem Zug bis rund 15 Uhr an der Nordsee in Zandvoort sein. Selbst mit dem Fahrrad würde ich es noch zum abendlichen Snack nach Winterswijk schaffen. Nur nicht mehr im Hellen zurück. Alles wunderbar nah und erreichbar. Klasse, oder? Wenn ich also im Urlaub unbedingt ins Ausland möchte, dann in die Niederlande, aus gutem Grund!

Strandpavillon Paal 17 Texel
Mittagessen im Strandpavillon? Zwar nicht bis Texel, aber bis Wassenaar ist es noch zu schaffen

Schon Goethe wußte: Das Gute liegt so nah

Auch die klassische Literatur liefert dafür ein Argument:

Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.

So hat es Johann Wolfgang von Goethe bereits erkannt! Von dem wiederum wusste Rudi Carrell, dass er gut war! Nun, Goethe war ja in Italien und hat damals wohl Wochen in kalten, unbequemen Kutschen zugebracht, um die Alpen zu überqueren. Vermutlich schrieb er diese Verse, als es einmal gar zu ruckelig wurde. Wohl sehnte er sich nach einem Spaziergang im Thüringer Wald. Ja, die Mühen der Reise.

Manche einer mag es bereits als Urlaubsgenuss betrachten, acht Stunden am Flughafen von Abu Dhabi auf den Anschlussflug nach Thailand zu warten. Ich habe dann im Strandpavillon von Texel schon mein zweites Bier getrunken.

Das kostbarste Urlaubsgut: die Zeit

Die Nähe und der Aufwand des Reisens ist für mich ein schlagkräftiges Argument bei der Wahl meines Urlaubsortes. Nicht nur aus ökologischer Sicht, denn ich spare Treibstoff und schone so die Umwelt. Auch aus ökonomischer Sicht, denn Fernreisen ist in der Regel, paradoxerweise nicht immer, ein teures Vergnügen. Vor allem aber spare ich das kostbarste, was ich im Urlaub habe: Zeit. Wenn nicht gerade das Reisen selbst das Ziel ist, dann gilt für meine Wahl, je näher, desto lieber.

Und dort, wo der Weg das Ziel ist, ist mir das langsame, behutsame Reisen der angenehmste Weg. Wenn mein Urlaubsziel nicht im eigenen Land liegen soll, dann am besten im Nachbarland, und zwar in dem, das mir am nächsten liegt. Das ist vom Ruhrgebiet aus, woher ich stamme, eben die Niederlande.

Für den Tagesausflug, den Kurzurlaub oder auch den langen Urlaub, mit der Bahn, mit dem Auto, mit dem Fahrrad, kann es nicht oft genug ins Land der Polder und Windmühlen gehen. Gerne entdecke ich Neues, gerne besuche ich Bekanntes. Beides finde ich nach wie vor zwischen Maas und Waal, zwischen Schelde und Wattenmeer. Es gibt noch reichlich unentdeckte Strände an der Nordsee, schöne Städte mit Grachten und Giebeln, hübsche pittoreske Orte, von denen ich lese und denke, ui, da muss ich hin! Je mehr Ziele ich bereist habe, desto länger wird die Liste mit Zielen, die ich dort besuchen möchte, unbedingt!

Auch etwas Abwechslung darf sein, aber …

Gut, auch Abwechslung darf manchmal sein. Ich reise auch nach Frankreich, Polen, Dänemark oder Bayern, ich war in Italien, der Türkei, sogar in den USA . Selbst eine Kreuzfahrt mit einem dieser elfstöckigen Ozeangiganten habe ich probiert. Doch aller Voraussicht nach, war die erste Kreuzfahrt zugleich meine letzte.
Und jedesmal, wenn ich auf Reisen mein Lieblingsnachbarland betrüge, habe ich das Bedürfnis, schnell nach Texel zu fahren und mich ganz leise zu entschuldigen, sobald ich die Fähre verlasse. Bisher hat das Traumeiland es mir nicht nachgetragen, wenn ich abtrünnig wurde. Zum Glück.

Bei jeder Reise in die Niederlande freue ich mich erneut, dass ich nur rund eine Stunde zu fahren brauche, bis ich die Landesgrenze überquere. Hinter dieser, inzwischen kaum mehr als virtuellen, Linie ist es dennoch deutlich bemerkbar: die Landschaft, die Orte, die Gebäude, die Gestaltung des öffentlichen Raumes, vieles ist anders. Auch die Sprache ist eine andere, eine, die mir inzwischen nicht mehr fremd ist. Wichtig auf Reisen ist mir, dass es sich nach Ausland anfühlt, denn dann schaltet unverzüglich der Urlaubsmodus auf aktiv.

Geografische Nähe, Herzensnähe

Ich gebe zu, das Argument gilt hauptsächlich für Hollandliebhaber aus bestimmten Regionen, eben im Westen unserer Republik. Doch empfinde ich neben der geografischen Nähe auch eine mentale Nähe, die ich in Polen, der Tschechischen Republik und teilweise selbst in Österreich nicht empfinde. Auch die Kulturkreise liegen sich nahe. Die Sprache ist anders, aber nur etwas anders. Bei meinem Faible für Nachbarländer habe ich auch mal versucht Polnisch zu lernen. Das war eine ganz andere Hürde, als die frühen Sprachkurse Niederländisch. Im Polnischen hört man eine Reihe Zischlaute und jede Silbe klingt identisch, geschrieben hat das dazugehörige Wort mit den Lauten nichts mehr zu tun, aber auch gar nichts!

Ja, die Summe aus geografischer und kultureller Nähe macht es aus, dass ich mich zwar im Ausland fühle, dennoch genügend heimisch.

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Der Text stammt aus dem Buch „111 Gründe, die Niederlande zu lieben“, erschienen 2019 im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin. Dieser ist der dritte Grund.

111 Gründe, die Niederlande zu lieben

Oliver Hübner
111 GRÜNDE, DIE NIEDERLANDE ZU LIEBEN
Eine Liebeserklärung an das schönste Land der Welt
280 Seiten | Premium-Paperback
mit zwei farbigen Bildteilen
ISBN 978-3-86265-782-7
14,99 EUR (D)

„In seinem Buch hat er 111 Gründe versammelt, die für ihn die Niederlande besonders liebenswert machen. Natürlich geht es dabei auch ums Klischee: wässrige Tomaten und Fußball in Oranje. Doch erfährt der neugierig Lesende auch Wissenswertes über die Eigenheiten des längsten Volkes der Welt, so ganz nebenbei und immer mit einem zwinkernden Auge.“

Das Buch ist in jeder Buchhandlung in Deutschland bestellbar sowie bei den gängigen Online-Shops erhältlich.

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