Tiefster Punkt Niederlande

Wenn ich auf dem Kirchplatz von Nieuwerkerk aan de IJssel stehe, dann erlebe ich als Tourist zunächst nichts wirklich Besonderes. Es hat einen alten Dorfkern umgeben von einem Wassergraben und vielen Neubauvierteln. Und doch hat diese 20.000 Einwohner zählende Stadt zwischen Rotterdam und Gouda eine einmalige Besonderheit: sie liegt beinahe 7 Meter unterhalb des Meeresspiegels.
Genaugenommen ist es natürlich nicht der Kirchplatz, der so tief unterhalb des Meeresspiegels liegt, sondern ein zur Gemeinde gehörender Teil des Zuiderplaspolders, der im 19. Jahrhundert zur Landgewinnung trockengelegt wurde. Das Gebiet wurde früher von 30 Windmühlen trocken gepumpt, es folgten dampftbetriebene Mühlen. Auch heute muss fortwährend Wasser aus dem Polder abgepumpt werden, das geschieht elektrisch.

Polderpegel oder Kornfeldhöhe?

Der Ehrentitel der am tiefsten gelegenen Stelle der Niederlande ist allerdings nicht eindeutig. Geht es nach den offiziellen Angaben des Prins-Alexander-Polders in Rotterdam, so liegt dieser 7,40 m unter dem Meeresniveau. Grund für die Abweichung sind zwei verschiedene Vergleichswerte. Der eine ist der sogenannte Polderpegel, der sich am Grundwasser orientiert, auf diesen bezieht sich Rotterdam. Nieuwekerk hingegen verdankt seine Auszeichnung dem Vergleich mit der ‘Maaiveldhoogte’, das bedeutet Kornfeldhöhe und vergleicht die Lage mit der tatsächlichen Bodenhöhe. Das Maß heißt auch Amsterdamer Pegel und ist vergleichbar mit dem in Deutschland gebräuchlichen Wert Normalnull.

Die Frage, welcher Punkt am tiefsten liegt, ist also gar nicht so einfach zu klären! Es wurde auch erst 1995 höchstministeriell festgelegt.

Das Schicksal des Zuiderplaspolders und des Prins-Alexander-Polders teilen aber weite Gebiete der Niederlande: Ein Drittel der Landesfläche, also rund 14.000 Quadratkilometer liegen unterhalb des Meeres. Eine Fläche, die fünfmal so groß ist wie das Saarland, oder fast 2.000 Fußballfelder groß. Und vor allem: 30 Mal so groß, wie die Insel Texel, das niederländische Pendant zum Saarland bei Größenvergleichen.

Tiefster Punkt Niederlande
Am tiefsten Punkt: 7 Meter unter dem Meeresspiegel bei Nieuwekerk aan de IJssel

Wie wohnt es sich unterhalb des Meeresspiegels?

Unter dem Wasserspiegel zu wohnen, eine Vorstellung, an die man sich zunächst gewöhnen muss. In Nieuwekerk ist das in Form eines Denkmals sehr anschaulich dargestellt. Wer dort am Fuß der Messsäule steht kann noch fünf Meter nach oben sehen, bis zum Nulllevel. Da dankt man den Deichen, dass das Wasser nicht gerade bis oben an die Säule reicht.
Ich hatte an diesem Ort großen Respekt vor dem technischen Meisterwerk, hier bereits vor über 100 Jahren urbares Land zu schaffen.

Und wie sieht es nun aus, das Land unter dem Meeresspiegel?

Sowohl, als auch!

Eintöniges Land, pittoreskes Land

Viele Polder sind sehr eintönig. Ich erinnere mich an Fahrten auf kilometerlangen gerade Radwegen parallel zu kilometerlangen geraden Kanälen und Gräben. Schmucklose Bauernhöfe, Viehweiden. Riesige Gewächshausflächen. Die Landschaft wirkt dort künstlich. Dort verstehe ich die Sehnsucht der Niederländer nach Bergen, Bäumen und Straßen mit Kurven.
Doch hat die Lage am Wasser und der ständige Umgang mit dem nassen Element es schon vor mehreren hunderten Jahren notwendig gemacht, mit diesem zu bauen.
Mitten in den Poldern liegen pittoreske Orte mit Backsteinhäusern an Wassergräben. Kleine Brücken verbinden die Vorgärten mit der Straße. Die Grachtenstädte liegen allesamt in den tiefer gelegenen Landesteilen. Stadt und Land sind ans Wasser herangeschmiegt. Dort sind die weiten Tulpenfelder. Schafe grasen auf dem Deich. Vielleicht sind in der Ferne schon die Nordseedünen zu sehen. Man erwartet Frau Antje aus einem Haus kommen, im Trachtenkleid mit Holzschuhen, die dem Reisenden Käsehäppchen reicht.
Dort ist auch das Holland, das wir so lieben.

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Der Text stammt aus dem Buch „111 Gründe, die Niederlande zu lieben“, erschienen 2019 im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin. Dieser ist der achte Grund.

111 Gründe, die Niederlande zu lieben

Oliver Hübner
111 GRÜNDE, DIE NIEDERLANDE ZU LIEBEN
Eine Liebeserklärung an das schönste Land der Welt
280 Seiten | Premium-Paperback
mit zwei farbigen Bildteilen
ISBN 978-3-86265-782-7
14,99 EUR (D)

„In seinem Buch hat er 111 Gründe versammelt, die für ihn die Niederlande besonders liebenswert machen. Natürlich geht es dabei auch ums Klischee: wässrige Tomaten und Fußball in Oranje. Doch erfährt der neugierig Lesende auch Wissenswertes über die Eigenheiten des längsten Volkes der Welt, so ganz nebenbei und immer mit einem zwinkernden Auge.“

Das Buch ist in jeder Buchhandlung in Deutschland bestellbar sowie bei den gängigen Online-Shops erhältlich.

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