lekker patatjes - lekker weertje
lekker patatjes – lekker weertje

Westfalenländle – fast das Paradies der Verkleinerungsform

Meine Heimat, das Westfalenland ist das Land der Verkleinerungsform. Zum Essen gab es häufiger Kartöffelchen, Tomätchen und Zwiebelchen. Beate, eine Bekannte aus dem Sauerland, hat dieses sogar zur Diätform erhoben, zur Chen-Diät. Wenngleich sich der Diminutiv auf Kuchen schlecht anwenden lässt, aber Schokolädchen geht. Und Plätzchen sowieso. Ich weiß aber nicht, ob das als strenge Diät durchgehen würde, denn Plätzchen ist ja die Normalform. Wer isst schon einen Platz, Diät hin oder her.

Dass nun ausgerechnet aber das Ländle nicht das Westfalenland bezeichnet, sondern eine andere deutsche Region, liegt an der spezifischen, regionaltypischen Bildung der Verkleinerungsform und nicht an der Häufigkeit seiner Anwendung. Zum ersten mal ist mir meine sprachliche Besonderheit beim gemeinsamen Kochen mit Erstsemesterkommilitonen in Berlin aufgefallen. Ich titulierte Gemüse in gewohnter EU-Norm für ihre Ohren befremdend niedlich. Doch Westfalen ist keinesfalls das ultimative Paradieschen für Verkleinerungsfanatiker. Noch extremer wird es einige Kilometer weiter westwärts gehandhabt. In den Niederlanden, wo ich das Glück hatte, ein Studienjahr zu verbringen und dabei diese wunderschöne Sprache studieren durfte, enthält jeder Satz durchschnittlich 1,7 Diminutive = verkleinvormen. Das ist eine persönliche Schätzung, aber ich schätzte, das ist nah an der Realität.

Da kann ijsje durchaus eine große Portion Eiscreme sein und die Portion Pommes kommt meist als patatje (nördliche Niederlande) bzw. frietje (Flandern und südliche Niederlande) daher. Es gibt auch patatjes oder frietjes. Diese Formen werden aber eher verächtlich für die dünnen Pommesstangen in Fast-Food-Restaurants gebraucht.

Ein pilsje in der üblichen Verabreichungsform von 0,25 l würde allerdings auch hierzulande als Bierchen durchgehen.

Lekker biertje – lekker weertje

Ergänzt durch das Adjektiv lekker bringt der Diminutiv ein allgemeines Wohlgefühl zum Ausdruck, eher als dass er eine spezifische Größe definiert.

Und dieses wohlige Befinden macht nicht bei essbarem Halt, bei lekker weertje (schönes Wetterchen) lacht mindestens die Sonne über Nordsee, Waal und Maas.

Ich kann mich zum slaapje aufs Sofa legen, zum telefoontje den Hörer ergreifen, wobei nur das Telefongespräch gemeint ist, nicht das technische Gerät. Anders beim mobieltje, damit hat man tatsächlich sein Handy zur Hand.

… aber den Verkleinerungseifer bitte nicht übertreiben!

Einmal allerdings habe ich den Gebrauch des Diminutiv auch schon übertrieben. Ich wollte während meiner Studienzeit in Amsterdam ein Päuschen machen, was ich im Deutschen auch durchaus so formuliere (ja, der Westfale!), und schlug daher ein pausje vor. Pause auf deutsch ist pauze im Niederländischen. Meine Kollegen dort dachten allerdings ich hätte eine Audienz beim höchsten Katholiken in Rom im Miniaturformat – (Papst = paus). So kann man sich vertun. Inzwischen habe ich gelernt, dass auch der paus ein pauzetje machen kann.

Das schreiben andere:

Viele schöne weitere Diminutivformen hat Alexandra Kleijn auf ihrem Blog Buurtaal beschrieben:

Der niederländische Verkleinerungsdrang

Wenn Diminutive auf eigenen Beinen stehen

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Dieser Artikel war Teil der Bloglese am 13. Dezember 2017 im Haus der Niederlande und ist als Polderblick-Podcast Extraausgabe nachzuhören.