Sandmotor in Kijkduin
… Sand wie Sand Meer: Der Sandmotor in Kijkduin

Warum ist so viel Sand am Strand?

Herr Wolkenstein war schon seit Stunden beschäftigt. Mir war es recht, ich hatte ein Buch dabei, las ein paar Seiten, ließ meinen Blick über das Wasser schweifen und genoss einfach das bunte Treiben am Strand. Es war ein wunderbarer Tag: warm, nicht zu heiß, sonnig, hin und wieder bewölkt. Ich konnte dösen, lesen, auf und ab spazieren, Füße nass machen und anschließend das Ganze wieder von vorn.

Doch was machte Herr Wolkenstein? Jetzt sah ich es. Er hatte eine riesige Sandburg gebaut. Diesseits des Priels, das wusste er inzwischen, da ist bei Ebbe am längsten ein leicht feuchter, doch fester Sandboden für eine Sandburg vorhanden. Und aus dem Priel ließ sich bestens der Wassergraben mittels kleiner Kanäle befüllen.

Seine Burg war höher als er selbst. Umzäunt von Burgmauern mit hohen Zinnen. Sogar ein Fähnchen an einem Eisstiel, in den er kunstvoll ein Stück der bunten Plastikverpackung als Burgbanner eingeklemmt hatte. Mit einem Eimer holte er immer wieder Wasser aus dem Priel, denn der Kanal füllte den Burggraben nur mäßig: es versickerte, bevor es die Burg gänzlich umfließen konnte.

Eine Weile beobachtete ich Herrn Wolkenstein als stolzen und geschäftigen Burgherrn, wie er sein Werk ständig erweiterte und ausbesserte, wo es einstürzte. Das steigende Wasser setzte den Mauern inzwischen reichlich zu.

Herr Wolkenstein kam wie ein müder Krieger zur Stranddecke geschlichen. Eher stolz als traurig, doch auch abgekämpft.

Trotzig blickte er auf das näher kommende Wasser und sah zu, wie mehr und mehr seiner Burg einstürzte und zum Futter für die Wellen wurde.

„Du“, fragte er schließlich und kuschelte sich in die Stranddecke ein, „woher kommt der ganze Sand?“

„Das wird wieder was mit Millionen Jahren, willst du es alles hören?“

„Ja, erzählt.“

Herr Wolkenstein sah müde aus. Schließlich hatte er viele Stunden lang seine Sandburg gebaut und dann eine Weile gegen den nassen Feind verteidigt.

„Sand ist eigentlich nichts anderes, als ganz kleine Steine. Nimm mal etwas in die Hand und schau dir die Körnchen genauer an.“

Muscheln und Steinchen

Herr Wolkenstein wischte etwas trockenen Sand zur Seite, grub seine Finger in den feuchten, festeren Sand und nahm eine Hand voll auf. Mit dem Finger spielte er darin herum und betrachtete die kleinen Körnchen.

„Da sind unterschiedlich farbige Körnchen drin. Manche gelb, einige schwarz, andere milchig.“

„Genau. Sand ist nichts anderes, als Körnchen, die ungefähr zwischen einem halben und zwei Millimeter Durchmesser haben. Hier am Strand ist es eine Mischung aus zerkleinerten Muscheln und kleinen Steinchen.“

„Muscheln, echt? Klar, die müssen ja auch irgendwo hin! Ich trete immer auf welche drauf, dann zerbröckeln die.“

„Genau. Und die Wellen spülen sie dann hin und her und so werden Sandkörnchen daraus.“

„Und die Steinchen, waren die mal richtig groß?“

„Ja. Die werden teilweise aus den hohen Bergen von den Flüssen ins Meer gespült. Und von den Wellen werden sie ständig abgeschliffen, bis es kleine Körnchen sind. Das dauert aber viele, viele Jahre.“

Sand
1000 Körnchen Sand

„Also waren hier früher große Steine? Und die wurden von den Wellen immer kleiner?“

„Ja, das auch. Es gibt ja verschiedene Küsten. In Frankreich sind Felsenküsten, dort liegen mehr Steine am Strand als hier an der Nordsee. Die Strömung kann den Sand sehr weit tragen. An geschützten Stellen lagert er sich ab und dort entsteht ein Sandstrand. Vielleicht gab es hier aber auch mal Steine und die sind inzwischen auch ganz klein geschliffen.“

„So jetzt noch mal langsam! Also Wellen bringen Steine mit und machen sie klein, aber auch die Strömung bringt fertigen Sand aus Frankreich …“

Aus Bergen wird Sand – aber ganz langsam

„Genau, und die Flüsse bringen Steine aus den Bergen ins Meer. Sogar aus den Alpen, und wenn sie die viele Kilometer durch das Flussbett rollen, werden aus großen Steinen kleine Sandkörnchen. Felsen bestehen meist aus Granit, und der ist zum Teil aus Quarz. Die anderen Teile sind weicher als der Quarz, daher kommt nur der Quarz am Sandstrand an. Das sind die glasigen Körnchen. Aus Quarz wird sogar Glas hergestellt.“

„Ich will auch mal durch ein Flussbett rollen. Oder mich in die Decke einrollen und mir auf den Flusssandsteinen ein Bett bauen.“

„Ein Bett auf Sand kannst du dir bauen. Schon genug Sandgeschichten?“

„Weiß noch nicht. Was weißt du denn noch über Sand?“

„Dass du morgen in deiner Hosentasche ganz viel hast und dass du eine große Portion mit nach Hause nimmst.“

„Gar nicht!“

„Na, ich zeig’s dir, wenn wir zu Hause sind. Ich finde das immer prima, dann hat man noch eine schöne Erinnerung an den Strandurlaub.“

Dünen und Küstenschutz

„Hab ich auch so! Aber erzähl mal, warum vor dem Strand manchmal ein Schiff fährt und Sand ins Wasser pustet!“

„Das ist für den Küstenschutz. Sand wird nämlich auch vom Wasser weggespült, dann wäre nach einem Sturm kein Strand mehr da.“

„Echt? Ein ganzer Strand? Dann kann keiner mehr baden!“

Sandschiff
Sandschiff

„Das stimmt. Aber vor allem die Küste wäre dann nicht mehr geschützt. Das Wasser könnte dann auch die Dünen wegspülen und ins Land hinein fließen. Das möchte niemand, der da wohnt.“

„Und deshalb fährt ein Schiff und füllt den Strand wieder auf?“

„Ja, das ist ganz wichtig. Sonst würden ganze Inseln verschwinden und neue entstehen. Früher hat sich die Küste immer verändert. Das war ganz normal. Aber seit Menschen dort wohnen, möchten die nicht, dass ihre Häuser und Dörfer vom Meer weggespült werden. Also bauen sie Deiche und Dämme. Und sie schützen die Dünen und spülen auch neuen Sand an den Strand. Der verteilt sich an der Küste und schützt so das Land. Und natürlich auch, damit Urlauber kommen und Strandurlaub machen können, so wie wir.“

„Und wenn man das nicht macht?“

„Dann kann es passieren, dass bei Hochwasser das Land überflutet wird. Das ist hier zuletzt vor über 60 Jahren passiert. Da waren große Gebiete überflutet.“

„So wichtig ist der Sand? Echt jetzt?“

„Ja, hier an der Küste der Sand, an anderen Teilen der Küste schützt ein Deich vor Überflutung.“

„Kann das nochmal passieren.“

„Die Menschen hier haben viel gebaut, damit das nicht passiert. Aber das Meerwasser steigt immer höher, in vielen Jahren kann das nochmal passieren. Das ist aber eine andere Geschichte …“

„Kann das Wasser auch zu uns kommen?“

„Da wo wir wohnen ist es höher. 100 Meter über dem Meeresspiegel. Holland liegt aber zum Teil unterhalb des Meeresspiegels. Wenn dort ein Deich bricht, wird das Land überflutet.“

„Dann fahren wir schnell weg, oder?“

„Keine Sorge, so schnell passiert das nicht.“

„Okay, das glaube ich dir jetzt. Aber ich glaube nicht, dass ich auf der Rückfahrt noch Sand in den Schuhen oder Taschen habe. Das juckt immer, deshalb wasche ich mich gut.“

„Das werden wir ja sehen! Also ab zum Waschen, dann gibt es Abendessen, ist schon spät. Gleich kommt der Sandmann und bringt Dich ins Bett.“

„Na guuuut … zum Glück gibts den Sandmann gar nicht! Muscheln und Steine im Auge, wer denkt sich sowas aus?

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Diese Geschichte ist mit vier weiteren Dialogen mit Herrn Wolkenstein Teil des ersten Buches von Blog speciaal:
„Herr Wolkenstein fragt nach – Naturphänomene an der Küste“, Verlag Blogwerk, 2020

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Danksagung:
Die Figur Herr Wolkenstein entstand in Erinnerung an den wundervollen Herrn Sonntag von der grandiosen Julia Gräfner, beide waren ein besonderer Teil von Schmalz & Marmelade, der unvergessenen Lesebühne in Schwerin.