Inseltagebuch Ameland – Teil 2: Strand, Sonne, Vogelperspektive

Buren, den 15. September 2017
Eine sanfte Septembersonne streichelte die Insel, ein leichter doch steter Wind kam von Westen her. War es gestern auf Ameland noch stürmte und regnerisch, lud das Wetter heute zum Radeln förmlich ein. In Buren lieh ich mir für zwei Tage ein modernes Hollandrad, silber, keine Gazelle. Und kein E-Bike. Zwar genoss ich jüngst während eines Fahrradwochenendes in Nord-Holland noch die Vorzüge des elektrischen Anschubs, doch wollte ich diesmal ganz klassisch alles selbst erstrampeln. Durch einen kleinen Wald ging es zunächst in den Hauptort Nes. Auf Anfrage bekam ich von der örtlichen Touristeninfo VVV Ameland ein kleines Pressepaket mit Infomaterial und Eintrittskarten für Museen und den Leuchtturm. Dafür sehr herzlichen Dank.
Lekker fietsen, Insel von Sonne gestreichelt
Mein Ziel für heute: die Landmarke der Insel und ihr höchster Punkt, der Leuchtturm ‚Bornrif‘ am westlichen Ende von Ameland. Ab Nes sind es rund zwölf Kilometer durch die Dünen. Durch die Dünen! Nochmal: durch die Dünen. Gemütlich fuhr ich gegen leichten Westwind an, das satt grüne Dünengras gebürstet von eben diesem Wind. Einzelne Sanddornbüsche, einzelne abgestorbene Büsche, das weite Land immer aus einem Augenwinkel zu sehen. Zunächst die Campingzone von Nes, später der Flughafen bei Ballum. Startende Cessnas warfen Fallschirme ab. Zur Rechten die höheren Dünen, 300 Meter dahinter das Meer. Nicht zu hören doch zu riechen.

Hin und wieder überholte mich ein Rentnerpaar auf Pedelecs. Sollen sie. Ich bin jung und habe alle Zeit. Die meiste Zeit war kein anderes Fahrzeug zu sehen. Inselnachsaison. Ich hatte den Radweg auf Muschelschalenstückchen meist für mich. Und da: Zum erste Mal erscheint der rot-weiß gestreifte Leuchtturm am Horizont. Strahlend auch dann, wenn er gar nicht leuchtet. Doch Geduld. Am Strand von Ballum beobachtete ich die Ebbe und ließ eine Weile den Blick und den Geist in die Weite schweifen. Eigentlich wollte ich unterwegs auch geocachen. Eine Leidenschaft, der ich noch regelmäßig nachgehe, doch unter dem Eindruck der Landschaft verpasste ich mehrfach mein Ziel. Das soll jetzt für das beeindruckende Landschaftserlebnis sprechen, das alle anderen Ansinnen deutlich überlagerte.
Das Höchste der Insel: der Leuchtturm ‚Bornrif‘
Der Leuchtturm wurde letztendlich am späten Mittag erreicht, erklommen und die grandiose Aussicht bewundert. Glück hatte ich wohl, dass über der gesamten Insel, dem friesischen Festland, den brandungsumwobenen Sandbänken und der Nachbarinsel Terschelling die Sonne strahlte. Beste Sicht also und beste Aussicht. Ich in 50 Meter Höhe über den Dünen und vor dem pfeiffenden Wind – doch jetzt pfiff er mächtig gewaltig – und dem Abgrund geschützt lediglich durch strohalmdicke Gitterstäbe, die das gußeiserne Geländer in Bauchnabelhöhe irgendwann zwangsläufig verstärken mussten, dem Publikumsverkehr geschuldet. Und der Turm, er schwankte, als ob der Wellengang am nahen Strand hier oben noch zu spüren ist.

Ich weiß, was ich niemals werden will. Windradaußenanlagenmonteur.
Einen Tipp berherzigte ich später unten im Pannekoekhaus ‚Onder de Vuurtoren‘: Pfannkuchen Ballum mit Äpfeln und ‚Nobeltje‘, einer Insellikörspezialtät. Jo, kann man machen. Zum Trinken wäre es allerdings nicht meins.
Hollum: ein bewohntes Freilichtmuseum
Hollum, der Ort im Westen der Insel, gleicht einem Freilichtmuseum. Ein wunderschönes, einheitliches Dorfensemble aus typisch Ameländer Häusern: gelber Backstein, der auch als ‚geele Friese‘ bezeichnet wird, ein Eigenart für Westfriesland. Eine recht schlichte Giebelseite und rote Dachpfannen, die häufig ein wenig bemoost sind. An der Giebelseite ist die Jahreszahl des Baus oder der Renovierung angebracht. Trotz einer historischen Patina wirken alle Häuser bestens gehegt und gepflegt. Und es ist weniger los, als im geschäftigeren Nes.

Nes war mein Ziel für’s Abendessen, doch zuvor habe ich das kulturhistorische Museum ‚De Sorgdrager‘ besichtigt. Dort erfuhr ich viel über das Inselleben, Unabhängigkeitsbestrebungen und Walfänger. Und über zwei versunkene Orte auf Ameland: Oerd und Sier. Und wusste damit die Bedeutung der Namen der beiden Amelandfähren.
Zurück ins Getümmel
Zurück nach Nes brachte mich der Westwind. Durch die wattenseitigen Polderwiesen, den ebenso musealen Ort Bollum, vorbei an schafbewohnten Deichen und plötzlich fett dunklen Wolken im Rücken.
Das machte nichts, ich erreichte Nes trocken und fand noch einen Geocache am Fähranleger. Zeit, mir mein Abendmahl zu suchen. Das vegetarische Angebot auf der Insel ist sehr gut – eine weitere meiner Raritäten – auf jeder Speisekarte, die ich studierte, waren vegetarische Speisen extra ausgewiesen. Ich entschied mich für den ‚Roggenburger‘ in der Brasserie ‚De Jong‘. Und habe es nicht bereut.
Der Abend klingt aus, ebenso wie Tag 1 auf Ameland, in meiner Herberge, dem Hotel De Klok in Buren, beim Schreiben meines Inseltagebuches. Ich habe Ameland erradelt und von oben betrachtet.
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