Inseltagebuch Ameland – Teil 3: Ostgebiete, Inseldynastien, Walbomben

Buren, den 16. September 2017
Über dem dritten Tag auf der Insel lag schon ein kleiner Schatten des Abschieds. Auch die Ungewissheit des Wetters. Als gerade der Tag geplant war, morgens Museum, nachmittags fietsen, änderte sich die Wetterprognose und ich tauschte beide Programmpunkte kurzerhand aus. Doch als erstes Strand. Wind gab es keinen. Es war Ebbe, so plätscherten die Wellen gemütlich gegen die hintere Sandbank. Die Sonne durchbrach hier und dort das ansonsten dichte Wolkenband, die Stimmung war friedvoll.

Badegäste bitte den abgesteckten Bereich nutzen
Die Schwimmaufsicht steckte gerade die Badezone ab. In dem Moment, wo ich dachte: ‚Na, das lohnt heute sicher nicht‘, schritten drei Wildentschlossene gen Brandung. Bei 13 Grad und inzwischen leichtem Regen. Okay. Warum nicht. Der Regen nahm zu, für mich die Gelegenheit das Strandcafé von Buren zu testen. Koffie verkeerd. Im Vergleich zu anderen Strandcafès erscheint es mir recht gediegen. Klasse, allein wegen Strandcafé, aber stimmungvoller ist für mich der Nachbar Sjoerd in Nes. Lustig: Inzwischen kannte ich etwa die Hälfte der Inselgäste. Zumindest bevor die Welle der Tagesgäste anrollt. Ameland, Du kleine Inselwelt.
Kleine Welt – die Inseldynastien
Kleine Inselwelt, das gilt wohl auch für die 3600 Insulaner. Es gibt drei Fahrradverleihdynastien auf der Insel. Nobel, Metz und Kiewiet. Nobel heißt aber auch die lokale Likörbrennerei mit dem auch auf dem Festland bekannten Nobeltje. Metz ist auch der Fischhändler und der Bäcker und Kiewiet ist auch der Campingbauernhof. Nicht verschwistert oder verschwägert? Da möchte ich nicht drauf wetten. Es gibt auch mehrere De Jong’s: die Brasserie, das Modegeschäft und noch etwas, was mir gerade nicht mehr einfällt. Oder kommt das eher aus mittelalterlich-klösterlicher Tradition? Die ist nämlich prägend für Friesland, habe ich hier gelernt. Ich habe mal gehört, dass rund 20 Mönche eines Klosters 55 verschiedene Lehrberufe ausüben konnten. Medievales Multitasking!
Im Osten hört der Regen auf
Als nun mein koffie verkeerd geleert war, ließ der Regen nach. Ich wagte mich auf den fietspad in Richtung Osten der Insel. Viel kommt dort nicht mehr, außer Landschaft. Dünen auf der Nordseeseite, Polder auf der Wattenmeerseite. Das ist schon mal klasse für einen abwechslungsreichen Rundweg. Unterwegs fand ich drei Geocaches und fing einige Regentropfen auf.

Rituale vs. Neuland
Der Vorteil am Entdecken von Neuem ist ja, dass man unvoreingenommen drauflosfahren kann. Jeder Meter hinein ins Neuland ist ein neu entdeckter Meter. Da nun Buren der östlichste Ort der Insel ist, kommt weiter östlich, wie gesagt, nur Landschaft, ohne einen für mich ersichtlichen markanten Punkt. Okay, es kommt ‚der Punkt, wo der Radweg zurück durch den Polder abzweigt‘. Wenn ich den Ort nun kennen würde, hätte ich ein Ziel, da er mir aber eher abstrakt war, hatte ich es nicht wirkliches. Klingt jetzt etwas vage. Was ich sagen möchte: Dort wo ich nicht entdecke, wo mir die Örtlichkeiten vertraut sind, kann ich sagen, ich fahre zum Ort X und zurück. Das ist im Unbekannten schwieriger. Da würde eine konkrete Landmarke helfen, so wie gestern der Leuchtturm. Die hat der Osten der Insel allerdings nicht zu bieten. Geocaches können diesem Dilemma manchmal Abhilfe leisten.
Vertraut wird ein Ort für mich, wenn sich aus Bekanntem Rituale entwickeln: ‚Mittags fuhr ich gern den Waldweg durch die Dünen und kehrte am Strandpaal 17 ein‘. Dafür reichen zweieinhalb Inseltage kaum. Und doch ziehe ich regelmäßig das Neue der Rückkehr an bekannte Orte vor.
Ich kehrte also durch den Polder zurück nach Buren. Bei StrAnders Fish&Chips-Bude aß ich lekkerbek mit friet, meine etwa monatliche Vegetarischausnahme. Zum Trikotwechsel und kurzem Verschnaufen ging es in die insulane Heimstätte. Ich ziehe mich halt warm an, schon wegen Resthustens. Bei wechselnden Windverhältnissen und Temperaturen bedeutet das schon mal, ins Schwitzen zu kommen.
Ein gestrandeter Fleischklops
Der Nachmittag sollte dem Naturmuseum Ameland gehören. Küstenschutz, Deichbau, definierte Küstenlinie von 1990, Dünenflora und -fauna, Salzwiesen, Alpenläufer (!) und Muscheltypen.

Aussichtsturm mit Blick über Nes und die Inselmitte. Und nochmal Walgeschichten. Etwas unappetitlich: explodierende Walkadaver. 1997 strandeten vier Pottwale auf Ameland. Die bedauernswerten Geschöpfe werden an Land von ihrem eigenen Gewicht erdrückt. Wenn sie tot am Strand liegen, würden sie irgendwann explodieren, wegen innerer Faulgase. Daher werden sie aufgeschnitten. Dabei entweicht bereits genügend fauliges Gas, um viel Inneres vom Wal auf den Strand und in die Luft zu verspritzen. Ich möchte es nicht gerochen haben müssen.
Auch beachtlich: der Walpenis, bei dessen Anblick ich zunächst dachte: ‚Was hängt dort für ein krummer Delphin?!‘ Ja, ja, Schulterblatt, Wirbelknochen und Rippen sind schon stattlich, aber das …!
Zum Abschied Hanfburger
Abendessen: Nes Café. Also Café in Nes. Gestern auf dem Heimweg habe ich den ‚Dutch Weedburger‘ entdeckt. Den wollte ich heute Abend verkosten. Beim Bestellen habe ich mich zunächst versichert, dass er auch rein vegetarisch ist. Später fragte ich den Kellner, ob ich auf dem Heimweg auch nicht ins Halluzinieren kommen würde. Weed in den liberalen Niederlanden. Vielleicht auch im Burger, wer weiß? Aber nein, es wäre eher ein Seegras-Burger. Alles in Ordnung! War eine interessante Erfahrung, geschmacklich aber zu nahe am Fleischklops. Doch gemütlich war es, im Nes Café zu sitzen, unter der Zeltplane in der Dorfmitte von Nes, der Inselmitte von Ameland.

Der Heimweg brachte mir noch drei weitere Geocaches und einen Abschiedsbesuch am Strand. Nun sitze ich wieder beim Glas Wein im Hotel de Klok und finde meinen Besuch auf Ameland eine runde Sache. Ich gebe zu: Ich bin etwas verliebt in diese Insel. Gepodcastet habe ich heute auch, das wird ab Ende September zu hören sein.
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Nun sind wir neugierig und ein wenig verzückt – durch Worte und Bilder in deinem Reisetagebuch.
Ameland ist definitiv eine Reise wert und wird unser nächstes Ziel an der Nordsee sein.
Danke Oli! Einen besseren Reiseführer für 3 Tage Inselglück kann man sich nicht vorstellen.
Wie schön, dass ich Euch mit meiner neuen Inselliebe anstecken konnte. Ich kann den Besuch dort nur empfehlen. Danke, liebe Karin, für Deinen Kommentar.