Plastik am Strand
Was der Sturm an Land brachte: Strandgut oder Müll? – Foto: Pixabay, lizenzfrei

Ein stürmischer Tag am Meer …

Es war ein kälterer Tag. Vormittags hatte es geregnet und es wehte noch ein kräftiger Wind von See her. Über Nacht hatte ein Sturm den Strand kräftig durchwühlt und deutlich einigen Sand fortgetragen. Herr Wolkenstein liebte solche Tage. Er war kaum aufzuhalten und untersuchte, was die Nacht angespült hatte. Mir war es recht, ich saß im Strandpavillon bei einem Kaffee.

Herr Wolkenstein hatte seinen Eimer und ging an der Flutgrenze auf und ab. Er nahm Stöcke auf, begutachtete sie. Die meisten warf er in einem hohen Bogen ins Wasser oder ließ sie zurück in den Sand fallen.

Ich hatte ihn von hier oben gut im Blick und ins Wasser würde er nicht gehen, das hatte er mir versprochen. Obwohl er es gar nicht brauchte, denn ich wusste, heute war es selbst ihm zum Baden zu kühl.

Er hatte auch begonnen, eine Burg zu bauen und die Zinnen mit allerlei Strandgut ausgestattet. Doch schon bald war das Strandgut selbst wieder viel interessanter. Er rupfte dies und das aus seinem Bauwerk wieder heraus, und ließ es in seinen Eimer plumpsen.

Stolze Beute Strandgut?

Nach einer guten Weile, in meiner Zeitrechnung zwei Kaffee, eine Limo und patat speciaal, kam Herr Wolkenstein stolz mit seiner Beute auf die Holzterrasse. Stolz oder eher erbost? Er hielt mir den Eimer hin und bedeutete mir, den Inhalt zu untersuchen.

Sein Eimer war randvoll gefüllt mit einer ausgeblichenen Sonnencremeflasche, mehreren Plastik-Drehverschlüssen, Teilen von Plastikflaschen, blauen Seilfetzen, Kronkorken, Eispapier, mit Algen bewachsenen, lackierten Holzplanken, dem Glas einer Sonnenbrille, ausgewaschenen Styroporklötzen und einigen Zigarettenkippen.

Eine stattliche Ausbeute, dachte ich. Und ja, auch das gibt es am Strand. Leider, leider.

Herr Wolkenstein hielt mir den Eimer direkt vors Gesicht und wartete auf meine Reaktion. Da ich nicht genau wusste, was Herr Wolkenstein erwartete, sagte ich zunächst nichts.

„Was soll sowas?“, fragt er schließlich. „Wie kommt sowas an den Strand? Das gehört da nicht hin!“

Und ja, jetzt sah ich, dass er wirklich erbost war. Ich musste ein wenig lachen, doch versuchte ich sogleich, es zu unterdrücken.

„Wieso lachst du?“, fragte er sofort. „Das ist echt blöd und das weißt du!“

„Ja, du hast Recht, das ist Strandgut, aber das sollte hier eigentlich nicht sein“, erwiderte ich.

„Und wieso ist das am Strand? Dann muss ja ganz viel davon im Wasser sein und irgendwie an den Strand kommen!“

Plastik am Strand
Über Nacht kam das Plastik … – Foto: Public Domain Lizenz CC0

Wer wirft denn sowas ins Meer?

„Das ist wahr. Menschen werfen leider solche Sachen weg und viele davon landen im Meer.“

„Aber das müssen doch alles Menschen von den Schiffen runterwerfen, oder? Sonst kommt das doch nicht bis hierher! Warum machen die das?“

„Das ist eine gute und wichtige Frage“, sagte ich mit angemessenem Ernst, „aber leider ist die Antwort nicht so einfach. Viele Menschen sind einfach achtlos mit ihren Dingen und mit der Natur. Sie werfen ihren Müll einfach weg. In die Landschaft, ins Wasser, aus dem Autofenster …“

„Ich werfe nichts ins Meer, und du auch nicht! Also machen das nicht alle Menschen.“

„So gut es geht ja, da achten wir drauf.“

„Kann das nicht auch einfach aus Versehen von einem Boot ins Wasser fallen?“, fragte Herr Wolkenstein, doch er begriff schon, dass das nur eine kleine Hoffnung war.

„Klar, aber es ist auch nicht nur das Plastik, das von Schiffen ins Meer geworfen wird. Du hast doch auf der Herfahrt auch an der Autobahnauffahrt gesehen, dass ganz viele Becher und Tüten im Gras lagen. Es gibt Menschen, die auf so etwas nicht achten. Denen ist es egal, ob ihr Müll in der Landschaft landet oder im Meer.“

Herr Wolkenstein schaute betroffen und verärgert.

„Aber der ganze Abfall im Meer kommt nicht nur von Menschen, die es direkt hineinwerfen. Es gibt auch viele Städte, die haben keine Müllabfuhr, so wie wir sie haben. In armen Vierteln vieler Länder werfen die Menschen einfach alles in einen Fluss. Abfall, Abwasser, alles, auch Plastik, und der Fluss spült es dann bis ins Meer. Es gibt Stellen ganz weit draußen im Meer, da treibt richtig viel Plastik herum.“

Verschwindet das Plastik denn gar nicht?

„Geht das denn nie weg?“, wollte Herr Wolkenstein wissen.

„Plastik zerfällt ganz langsam, das dauert über hundert Jahre. Und dann ist es auch nicht weg, sondern nur ganz klein, aber es schwimmt immer noch im Meer.“

„Das ist doch schlimm! Was passiert dann damit?“

„Manches wird von Fischen gefressen. Fast alle Fische, die gefangen werden, haben schon irgendwo Plastik in ihrem Körper.“

Herr Wolkenstein schaute traurig hinaus aufs Wasser.

„Ich will etwas dagegen machen“, sagte er schließlich.

„Das ist gut!“, erwiderte ich. „Als erstes können wir darauf achten, dass wir selbst weniger Plastik kaufen, dann haben wir weniger Abfall.“

„Nein, aber das ganze Plastik, dass jetzt schon im Meer ist, das muss doch wieder raus! Da will ich was machen!“

„Das ist leider nicht so einfach. Es gibt Unternehmen, die fischen Plastik aus dem Meer und verwenden es für ihre Produkte. Das ist dann Recycling. Daraus stellen sie Schuhe oder Schmuck und andere Gegenstände her. Wir können ja im Geschäft im Ort mal schauen, ob es hier so etwas gibt. Aber trotzdem muss man zunächst auch darauf achten, dass weniger Plastik ins Meer gelangt. Es gibt auch ganz kleine Plastikteilchen in Duschgel und Zahnpasta. Da kann man drauf achten, dass man Produkte nimmt, die kein Plastik enthalten. Das machen wir bisher auch nicht ganz konsequent, aber ich verspreche dir, jetzt mehr drauf zu achten.“

„Au ja! Was noch?“

„Es gibt auf der Insel auch ein Museum für Strandgut, dort ist zu sehen, was hier in vielen Jahres alles an Land gespült wurde.“

„Ja, das ist schön, aber ich will ja, dass nichts mehr an Land gespült wird!“

„Das wäre wirklich schön. Aber das ist leider nicht so einfach. Da brüten schon viele Politiker drüber. Manche natürlich nur, anderen ist es nicht so wichtig, die möchten nicht so viel ändern.“

Bierdosen am Strand
Die Reste vom Feste – Foto: Pixabay, lizenzfrei

Dann muss man doch etwas dagegen tun!

„Dann muss man denen sagen, dass die auch was ändern sollen!“, protestierte Herr Wolkenstein entschieden.

„Ja, das ist wichtig. Das machen ja schon ganz viele Jugendliche. Die protestieren jeden Freitag gegen Umweltzerstörung, das sind die #FridaysForFuture-Demonstrationen.“

„Das habe ich schon gehört, die vom Gymnasium gehen da immer hin. Wir dürfen das noch nicht.“

„Die vom Gymnasium dürfen das auch nicht, aber die machen das einfach!“

„Darf ich das denn auch mal?“

„Nein, das darfst du eben auch nicht, aber ich fände es gut, wenn du es trotzdem machen möchtest!“

Herr Wolkenstein schaute etwas verwirrt, aber auch fest entschlossen: „Also was nun?“

„Ich bringe dich da mal hin. Von der Schule her ist es nicht erlaubt, aber ich kann es dir erlauben. Direkt nach den Sommerferien.“

Herr Wolkenstein schaute nun wieder auf seine Sammlung im Eimer.

„Und bis dahin sammle ich weiter Plastik vom Strand und bringe es in den Mülleimer.“

„Mach das, ich schaue dir weiter von hier oben zu. Möchtest du ein Eis?“

„Jaaaaa, … aber nicht mit Plastikverpackung, nur mit Kugeln in der Waffel.“

„Die gibt es hier nicht, die gibt es nur im Dorf. Also lieber später ein Eis dort?“

„Nein, jetzt eins. Das Plastik kann ich ja direkt in den Mülleimer tun.“

Ich gab Herrn Wolkenstein eine Münze und er düste damit zur Eistruhe im Strandpavillon.

Links

Schipsbreuk- en juttersmuseum Flora auf Texel

Artikel: Projekte gegen Plastikmüll im Meer

Artikel: Produkte ohne Miroplastik

Informationen zur Fridays for Future-Bewegung

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Diese Geschichte ist mit vier weiteren Dialogen mit Herrn Wolkenstein Teil des ersten Buches von Blog speciaal:
„Herr Wolkenstein fragt nach – Naturphänomene an der Küste“, Verlag Blogwerk, 2020

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Danksagung:
Die Figur Herr Wolkenstein entstand in Erinnerung an den wundervollen Herrn Sonntag von der grandiosen Julia Gräfner, beide waren ein besonderer Teil von Schmalz & Marmelade, der unvergessenen Lesebühne in Schwerin.